URI: 
       # taz.de -- Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Düstere Schulerfahrungen
       
       > Ist das Russisch eingerostet? Dann braucht man Wodka, der löst die Zunge.
       > Dann kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des Vergessens
       > wähnte.
       
   IMG Bild: Die Sotschi-Matrjoschkas (oder Matrjoschken?).
       
       SOTSCHI taz | Russisch haben wir früher nicht gemocht. Wenn die Lehrerin
       sagte „Wosmitje list bumagi“, dann hat die halbe Klasse eine Panikattacke
       gehabt und der Rest sah verdammt käsig aus. „Nehmt ein Blatt Papier
       heraus“, hieß die Anweisung übersetzt, was nichts anderes bedeutete, als
       dass jetzt eine Russischarbeit anstand.
       
       Eine Russisch-LK war ungefähr so beliebt wie drei Mathe-Tests. Aber da
       musste man halt durch, wenn man beim nächsten Treffen der Gesellschaft für
       Deutsch-Sowjetische Freundschaf (DSF) den Freunden nicht nur stammelnd
       gegenübertreten wollte. Ich bereue es schon ein bisschen, dass ich damals
       nicht mit mehr Eifer bei der Sache war. Ich könnte in Sotschi, Adler und
       Krasnaja Poljana mehr verstehen und nicht immer nur so halbgar
       herumkommunizieren mit den Russen.
       
       Es ist kein Geheimnis, dass Wodka die Zunge löst und den Sprachschatz
       öffnet. Plötzlich kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des
       Vergessens wähnte. Bei einer Wodkarunde sprach ich mit Maxim, zunächst auf
       Englisch. Je länger der Abend dauerte, desto mehr Russisch mischte ich bei.
       
       Maxim war hin und weg, als ich komplett ins Russische wechselte und über
       meine düsteren Schulerfahrungen sprach. Als ich ihm erzählte, dass meine
       Tochter eine singende Spielzeugpuppe namens Tschiburaschka besitzt,
       schmatzte mir Maxim ein Bussi auf die Wange.
       
       ## Eine Ansprache auf Russisch
       
       Auf Maxims Begeisterung folgte eine neue Runde Wodka, die wir mit einem
       Biss in einen Apfelschnitz abrundeten. Ich hielt dann sogar eine kleine
       Ansprache auf Russisch – ich hatte Geburtstag. „Dorogije Drusja“, also
       „liebe Freunde …“. Ich überlegte, ob ich meinem neuen Freund noch von den
       Matrjoschkas im Haus meiner Eltern erzählen sollte, ließ es dann aber, weil
       ich damit in Maxim eine unkontrollierte emotionale Eruption ausgelöst
       hätte.
       
       Das wollte ich nicht. Von dem Abend blieb ein schmerzender Kopf. Und die
       nüchterne Erkenntnis, dass mein Russisch keinen Deut besser geworden war.
       Sollte ich jetzt vor jedem Gespräch Wodka trinken, um gut parlieren zu
       können? So in etwa wie Raj in der Fernsehserie „Big Bang Theory“, der nur
       angetrunken seinen selektiven Mutismus überwindet und mit Frauen redet?
       Nee, zu viel Wodka ist nicht gut. Von da an war wieder Stammeln angesagt.
       Patschemu njet?
       
       20 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Sotschi 2014
   DIR Russland
   DIR Schule
   DIR DDR
   DIR Wodka
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Wenig Heimatliches
       
       Die Spiele sind fast vorbei. Es überkommt einen der Gedanke: Großherzige
       Russen haben nichts gegen windschiefe Provisorien und Schrundigkeit.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Die Angst vor der Baustelle
       
       Die Firma hat ihn unter Druck gesetzt. Er war angehalten, ja kein Foto von
       den unfertigen Arenen zu verschicken. Ein 25-jähriger Techniker erzählt.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Nervensägen in lila
       
       Sergej kommt aus Rostow am Don und ist einer der zahllosen
       Sicherheitsbeamten in Sotschi. Ein freundlicher Kerl – solange man mit ihm
       Cognac trinkt.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Ein archetypischer Angstmacher
       
       Er ist ein Alptraum. Matthias Große ist der Freund von Claudia Pechstein.
       Und ein echter Superkumpel, sagt zumindest Jenny Wolf.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Abseits des Olympiapfads
       
       Dem Wintersport zu entfliehen, ist auch in Sotschi ganz einfach. Ein
       Gespräche über Deutschkurse, den FC Bayern und eine Brieffreundschaft nach
       Dresden.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Schleich dich
       
       Der Strand hätte eine Flaniermeile werden können. Doch Zäune versperren den
       Weg zum Wasser und nach Georgien. Besucher sollen in Sotschi bleiben.