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       # taz.de -- Aufarbeitung der Edathy-Affäre: Keiner hat was falsch gemacht
       
       > Ob BKA-Chef Ziercke oder SPD-Fraktionschef Oppermann: Alle geben den
       > Friedrich. Eigene Fehler kann niemand erkennen.
       
   IMG Bild: Thomas Oppermann bei der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch
       
       BERLIN taz | Drei Stunden dauert es, da tritt Jörg Ziercke durch die Tür
       des Saals 2300. Kameras stürzen sich auf den BKA-Chef. Der entblättert
       einen Zettel, trägt vor und hat nur eine Botschaft: Nichts habe er sich in
       der Affäre Edathy zuschulden kommen lassen. „Ich kann keine rechtliche
       Relevanz erkennen.“ Nachfragen lehnt Ziercke ab und verschwindet den Gang
       hinunter.
       
       Seit dem Mittwochmorgen hatte sich der BKA-Chef zuvor den Fragen des
       Innenausschusses gestellt. Es sollte der Tag der parlamentarischen
       Aufklärung werden. Neben Ziercke war die SPD-Spitze geladen, dazu
       Ex-Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CDU). Allein: Die
       Fragezeichen lösen sich nicht auf.
       
       Seit anderthalb Wochen wird über die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy
       wegen möglichen Kinderporno-Besitzes spekuliert. Darüber, ob der
       SPD-Politiker mehr besaß als nur straffreie „Posing-Bilder“. Und darüber,
       ob er frühzeitig etwas wusste von den Ermittlungen gegen ihn.
       
       Hinter verschlossenen Türen erzählte Ziercke im Innenausschuss von der
       „Operation Spade“, die 2010 gegen das kanadische Kinderporno-Portal Azov
       Films begann. Dort soll auch Edathy bestellt haben. Der BKA-Chef
       referierte, wie die Kanadier im Oktober 2011 eine Liste mit 800 deutschen
       Kunden übermittelte, 450 Gigabyte an Daten.
       
       ## Kunden der „Kategorie 2“
       
       Aufgrund anderer Operationen habe man erst im November 2012 mit der
       Auswertung begonnen, so der BKA-Chef, vorerst mit 443 „prioritären Fällen“
       mit eindeutig indiziertem Material. Ein knappes Jahr später, am 15. Oktober
       2013, habe man an alle 16 Landeskriminalämter 80 weitere Fälle verschickt:
       Kunden der „Kategorie 2“, die unverfänglichere Nacktbilder bestellten. Am
       gleichen Tag meldete die Polizei in niedersächsischen Nienburg. Auf der
       Liste stehe ein heimischer Bundestagsabgeordneter: Sebastian Edathy.
       
       Noch am 15. Oktober wurde Ziercke über Edathy informiert. Der unterrichtete
       einen Tag später über Staatssekretär Fritsche Innenminister Hans-Peter
       Friedrich (CSU). Der informierte SPD-Chef Sigmar Gabriel und musste wegen
       dieser Indiskretion inzwischen zurücktreten.
       
       Immer wieder hakten die Abgeordneten bei Ziercke nach, was es mit einem
       Anruf von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der inzwischen durch Gabriel
       Bescheid wusste, am 17. Oktober auf sich hatte. Hatte Oppermann den
       BKA-Chef zum Geheimnisverrat gedrängt?
       
       „Wirklich überrascht“ sei er über den Anruf gewesen, berichtet Ziercke.
       Oppermann habe den Verdacht gegen Edathy geschildert, habe besorgt gewirkt.
       Ziercke will aber klargemacht haben, nichts zu kommentieren. „Ich will Sie
       auch gar nicht in Schwierigkeiten bringen“, soll Oppermann gesagt und auf
       Fragen verzichtet haben.
       
       ## Eigentümliche Wendungen
       
       Die Verteidigung Zierckes im Fall Edathy - sie ist eine weitere
       eigentümliche Wendung in der Affäre. Denn vor anderthalb Jahren war es noch
       der SPD-Politiker, der als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses
       den BKA-Chef zu der rechtsterroristischen Mordserie kritisch befragte. Als
       Ziercke damals die Polizeiarbeit in den NSU-Verfolgung verteidigte, warf
       ihm Edathy mangelnde Selbstkritik vor: „Ich finde es nicht nachvollziehbar,
       wie Sie hier auftreten.“
       
       Vergessen. Am Mittwoch steht Edathy nur noch für Fotos nackter Jungen. Man
       dürfe nicht vergessen, sagt CSU-Mann Stephan Mayer, dass dessen „moralisch
       sehr, sehr zweifelhafte“ Bestellungen Kern der derzeitigen Affäre seien.
       
       Zierckes Aussagen bewerten die Abgeordneten indes unterschiedlich. Er und
       Oppermann hätten „sehr verantwortungsvoll“ agiert, sagt
       SPD-Innenpolitikerin Eva Högl. „Das Telefonat wird völlig zu Unrecht
       skandalisiert.“ Der Grüne Konstantin von Notz nennt es dagegen „wenig
       schlüssig“, dass hier ein Gespräch „ohne Inhalt und Zielrichtung“ geführt
       wurde.
       
       ## „Überhaupt keine Zweifel“
       
       Ausschuss-Chef Wolfgang Bosbach (CDU) hat vor allem die SPD im Blick. An
       Zierckes Darstellung gebe es „überhaupt keinen Zweifel“. Wohl aber an der
       Intention Oppermanns. „Das Telefonat macht nur Sinn, wenn er etwas wissen
       wollte, was er nicht wusste.“ Dass dieser zudem anfänglich sagte, Ziercke
       habe ihm die Ermittlungen bestätigt, sei eindeutig „falsch“ gewesen.
       
       Bosbachs Angriff zeigt, dass die Union den Rücktritt Friedrichs der SPD
       längst noch nicht verziehen hat. Am Vorabend hatten sich die Parteichefs
       von CDU, CSU und SPD zum Krisengespräch im Kanzleramt getroffen. Sie gingen
       ohne öffentliche Erklärung auseinander.
       
       In der Ausschuss-Pause beginnt am frühen Nachmittag im Bundestag die
       Aktuelle Stunde zum selben Thema. Den Termin hatten überraschend Union und
       SPD verlangt. Selbst die Linke hatte zuletzt von der Idee der Aktuellen
       Stunde Abstand genommen - dort besteht weder die Möglichkeit der Nachfrage
       noch der Zwischenintervention. Entsprechend nennt sie der Vizefraktionschef
       der Linken, Dietmar Bartsch, eine „Alibiveranstaltung“. Ein anderes,
       weitaus härteres Mittel wäre ein Untersuchungsausschuss. Den aber lässt die
       Opposition bisher offen.
       
       Kurz danach richtet sich der Fokus wieder auf den Innenausschuss. Am
       Nachmittag trifft dort SPD-Fraktionschef Oppermann ein. Er werde „alle
       Fragen beantworten“, verspricht er. Die SPD wolle „lückenlose Aufklärung“.
       Und er schiebt ein Friedenssignal an die Union hinterher. Der Rücktritt
       Friedrichs tue ihm „aufrichtig leid“. „Ich bin absolut überzeugt, dass er
       nichts Unrechtes getan hat.“
       
       ## Heimliche Hoffnungen
       
       Knapp zwei Stunden wird Oppermann im Ausschuss befragt. Wieder geht es um
       das Telefonat mit Ziercke. Dieses habe er getätigt, so der SPD-Mann, weil
       er „fassungslos und schockiert“ war über die Vorwürfe gegen Edathy und
       diese einordnen wollte. Vielleicht habe er die „heimliche Hoffnung auf
       einen Irrtum“ gehabt, gesteht Oppermann. Es sei ihm aber nie darum
       gegangen, Dienstgeheimnisse zu erfahren. Auch weist der SPDler jeden
       Hinweis der Parteispitze an Edathy zurück. Dies sei „völlig abwegig“.
       
       Der Aufklärungsmarathon ist da noch lange nicht beendet. Für den Abend sind
       noch SPD-Chef Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier geladen.
       
       Die Opposition nennt die Befragungen am Mittwoch gar nur einen „kleinen
       Anfang“. „Um Licht ins Dunkel zu bringen“, so der Linken-Abgeordnete Jan
       Korte, „braucht es noch mehrere Sitzungen.“ CSU-Chef Horst Seehofer geht
       noch weiter: Kämen Bundestag und Justiz nicht weiter, müsse notfalls ein
       Untersuchungsausschuss her. Der Ausnahmezustand Edathy bleibt.
       
       19 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Anja Maier
       
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       immer.
       
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