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       # taz.de -- Kolumne Später: Die neue Party-Perspektive
       
       > Von wegen „Forever Young“! Die tollsten Feten kommen mit 60. Weil sich
       > die Gäste dann einfach freuen, dass sie noch da sind.
       
   IMG Bild: Weckt auf Parties Erinnerungen an Teenie-Zeiten: Deep Purple
       
       Meine Freundin Britt sagt, alles ändere sich im Leben, wenn man so was wie
       das Ende sehe. Die Vergänglichkeit. Okay, ernstes Thema. Wird aber gleich
       lustiger. Ich komme auf Evis und Mathildes 60. Geburtstag zu sprechen.
       
       Die beiden hatten ihre Jahrestage zusammengelegt, ein Vereinshaus in
       irgendeiner Laubenkolonie gemietet und alles war bereit für irgendeine
       langweilige Vorverrentungsfete. Dachte ich. Wie man sich täuschen kann.
       
       Jeder hat ja so seine Fetenchronik. Mit 15 Jahren sorgten die Hormone, die
       Bacardi-Cola und das abgedimmte Licht im Keller von Matzes Eltern für
       Superstimmung. In den 30ern schlich sich dann der Verwertungsgedanke ein:
       Kommen genug tolle Typen, die noch ohne Freundin sind? Beziehungsweise sind
       hübsche Frauen eingeladen? (Ja, es gibt keinen Grund, sich nach diesen
       Zeiten zurückzusehnen).
       
       Der 40. Geburtstag: Die Männer saßen am Lagerfeuer im Garten und
       unterhielten sich über ihre Karrieren. Drinnen tanzten die Frauen zu James
       Brown: „It’s a man‘s world, but it would be nothing without …“. Dann die
       50er: Anne mietete teuer einen umgebauten S-Bahnhof und orderte ein
       mediterranes Buffet. Man tanzte ein bisschen und stellte insgeheim fest,
       wie alt doch die andern, natürlich nur die andern, aussahen.
       
       ## Die Optik ist eher wurscht
       
       Und jetzt Evis und Mathildes 60. im Vereinshaus. Jeder hatte was
       Selbstgemachtes mitgebracht, es gab eine Menge Tiramisu und Zwiebelquiche
       und, jawoll, Kartoffelsalat. Alle Männer bis auf einen hatten weiße Haare
       und Wampe und die Frauen irgendwelche Kompromissfrisuren und Speck auf den
       Hüften. Das Interessante dabei: Die Optik war eher wurscht.
       
       Eine Aushilfsband mit Akkordeonamateurin spielte „Nowhere Man“ und „Bei mir
       bist du schön“, das angetrunkene Publikum las die Textzeilen von den
       ausgeteilten Blättern ab, insoweit es die Weitsichtbrillen nicht vergessen
       hatte. Die Stimmung war super, erst recht, als der DJ anfing, ein
       altersgemäßes Programm zu präsentieren von „Satisfaction“ über „Living for
       the City“ bis zu „Billie Jean“.
       
       ## Nur Gäste einladen, die gern tanzen
       
       Alle tranken und tanzten mit allen, denn mit 60 ist es mit der Karriere
       sowieso vorbei und die Optik so lala, da gibt es nichts mehr zu verwerten
       oder anzupreisen. Ich war selig. Nach einigen durchtanzten Stunden fuhr ich
       nachts um zwei mit Britt, Theresa und meinem Akkordeon im Taxi nach Hause.
       
       „Also, Evi scheint es wieder so richtig gut zu gehen“, sagte Britt im Taxi,
       „super, dass die bei ihrer letzten Nachuntersuchung nichts gefunden haben.“
       „Und was glaubst du, wie froh Susanne ist, dass Karl seinen Herzinfarkt so
       gut überstanden hat“, meinte Theresa, „ich habe die beiden selten so
       ausgelassen zusammen gesehen.“ „Ein Glück, dass meine Kniearthrose im
       Moment Ruhe gibt“, fuhr Britt fort, „sonst wäre es mit dem Tanzen Essig
       gewesen.“ Mir dämmerte allmählich, worin das Geheimnis der Fete lag: Die
       Leute waren froh, noch da und vielleicht nicht gerade ganz doll krank zu
       sein. Das war der Unterschied zu früher, deswegen kochte die Stimmung so
       hoch.
       
       Britt verriet uns noch einen Trick: Evi und Mathilde hatten in ihrem
       Bekanntenkreis zwar weiträumig eingeladen, aber eben Leute, von denen sie
       wussten, dass sie gerne tanzten. Die anderen Bekannten wurden schlichtweg
       nicht zur Fete gebeten. Vielleicht ist das für die späten Jahre eine
       wirklich brauchbare Idee.
       
       19 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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