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       # taz.de -- Betriebsführung im Puff: Einmal wickeln 150 Euro
       
       > Sexarbeiterinnen machen Öffentlichkeitsarbeit für ihre Sache. Das
       > Interesse an ausgefallenen Dienstleistungen der Branche ist groß.
       
   IMG Bild: Das Kontaktverbot auf St. Georg gilt auch an dem Tag, an dem die Prostitutierten Betriebsführungen machen.
       
       HAMBURG taz | Im Raum neben dem Eingang führt Katharina gerade aus, wie sie
       auf dem Bett, das da mitten im Raum steht, Männer wickelt und ihnen den
       Hintern pudert. Sie ist die fürsorgliche Domina hier im Studio. Die
       Oberschenkel-hohen Lederstiefel hängen heute an der Wand. Zur
       Betriebsführung trägt sie einen rosafarbenen Blazer, eine Perlenkette und
       eine rahmenlose Brille. Eine ältere Besucherin winkt ab. „Das halte ich
       nicht aus“, sagt sie und verlässt den Raum.
       
       Offenbar geht es anderen Besuchern ähnlich. Nach und nach verschwinden auch
       sie. In den Nebenräumen ist der Andrang um so größer. Dort erklären zwei
       weitere Dominas, was sie hier in den Käfigen, auf dem Gynäkologenstuhl oder
       an den Haken, die in die Decke geschraubt sind, mit ihren Kunden so
       anstellen.
       
       Eine von ihnen ist Undine de Rivière. Die 40-jährige Sexarbeiterin und
       studierte Physikerin ist Gründerin und Sprecherin des „Berufsverbandes
       erotische und sexuelle Dienstleistungen“. Der hat hier im Rotlichtbezirk
       zusammen mit dem „Ratschlag Prostitution Hamburg“, mit
       Frauenberatungsorganisationen, der Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel,
       der Gewerkschaft Ver.di und der Hochschule für angewandte Wissenschaften an
       diesem Sonntagnachmittag eingeladen, um einen Einblick in die Arbeit und
       die Betriebsstätten des Sexgewerbes zu geben.
       
       Alice Schwarzer hat Sexarbeiterinnen wie Undine de Rivière, die sich
       öffentlich für Prostitution positionieren und betonen, dass diese oft
       freiwillig ist, „Täterinnen und Mittäterinnen“ genannt. Sie wirft dem vor
       wenigen Wochen gegründeten Berufsverband vor, dass etliche der knapp
       hundert Mitglieder, „deklarierte sowie kaschierte Bordellbetreiber und
       Bordellbetreiberinnen sind“.
       
       Viele Betriebsstätten sind immer noch versteckt. So wie das SM-Studio Rex
       in der Brennerstraße unweit des Hansaplatzes in dem de Rivière die
       Hauptmieterin ist. Seit über zwölf Jahren arbeitet sie im SM-Bereich. Ins
       Rotlichtmilieu kam sie schon zu Studienzeiten. Heute mieten sich ihre
       Kolleginnen mit ihren Kunden stundenweise ein. Eine halbe Stunde kostet 150
       Euro.
       
       „Selten bucht mich jemand zwei Tage am Stück“, sagt sie. Manchmal kämen
       Kunden, die in Hamburg Urlaub machen oder auf Geschäftsreise sind, mehrmals
       in der Woche. Oder auch Pärchen, bei denen ein Partner Interesse an
       außergewöhnlichen Fetischen hat, der andere aber noch keine Berührung damit
       hatte.
       
       ## Diebische Sekretärin
       
       „Manchmal kriege ich ganz detaillierte Drehbücher, in denen schon steht,
       was ich sagen soll“, erzählt sie. Ihr Geschäft sind Phantasien und
       Rollenspiele. Manchmal ist sie die nymphomane Krankenschwester, manchmal
       die Sekretärin, die von ihrem Chef beim Klauen erwischt wurde. Oder sie
       zwingt einen Mann, in einen anderen einzudringen. „Dabei ist das gezwungen
       werden ganz wichtig“, sagt sie – um die homosexuelle Neigung rechtfertigen
       zu können.
       
       Am Hansaplatz berichtet eine Frau, dass es bei der Führung durchs
       Stundenhotel zum Polizeieinsatz gekommen sei. Denn in St. Georg haben die
       SexarbeiterInnen wenig von der bundesweiten Liberalisierung ihres Gewerbes.
       Der SPD-Senat hat vor genau zwei Jahren eine Kontaktverbots-Verordnung für
       Freier im Quartier verhängt.
       
       Danach können nun Freier, die Prostituierte ansprechen, mit einem Bußgeld
       von 200 bis 5.000 Euro belangt werden. Juristisch gilt die Strafe zwar
       nicht den Sexarbeiterinnen. Doch Hurenverbände kritisieren, dass ihre
       Dienstleistungen kriminalisiert würden, indem es den Kunden verboten sei,
       diese in Anspruch zu nehmen.
       
       17 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lena Kaiser
   DIR Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
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