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       # taz.de -- Ermittlungen gegen Sebastian Edathy: Bestellungen „im Grenzbereich“
       
       > Die Staatsanwaltschaft macht ihre Vorwürfe gegen den SPD-Politiker Edathy
       > offiziell. Doch: War das von ihm georderte Material auch strafrelevant?
       
   IMG Bild: Polizeifahrzeug vor der Wache im niedersächsischen Rehburg, dem Wohnort Sebastian Edathys.
       
       BERLIN taz | Drei rote Ordner sind es, in denen der Verdacht gegen
       Sebastian Edathy ruht. Am Freitag öffnete sie der Hannoveraner
       Oberstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Auf einer Pressekonferenz erläuterte er
       erstmals öffentlich die Ermittlungen gegen den SPD-Politiker. Dazu, sagt
       er, sehe er sich gezwungen, da in den letzten Tagen „ohnehin fast das
       gesamte Verfahren öffentlich gemacht wurde“. Dieser Umstand sei
       „erschütternd“.
       
       Seit den Durchsuchungen in Edathys Wohnung und Büros am Montag war über die
       Hintergründe spekuliert worden. Fröhlich präsentierte nun Fakten. Demnach
       hat Edathy zwischen 2005 und 2010 neun Bestellungen in einem kanadischen
       Onlineshop aufgeben, der auch Kinderpornografie anbot: insgesamt 31 Videos
       oder Fotosets. Zwei Downloads soll der SPDler im IT-Referat des Bundestags
       getätigt haben. Bestellt habe er über verschiedene E-Mail-Adressen, bezahlt
       über eigens eingerichtete Konten.
       
       Damit ist nun offiziell, dass die Ermittlungen auf das Hochgehen des
       kanadischen Kinderpornohändlers Azov Films im letzten Herbst zurückgehen.
       Bei der internationalen Operation waren laut der Polizei Toronto 341
       Menschen festgenommen und 386 Kinder „gerettet“ worden. Zu den Angeboten
       hätten „sehr explizite“ Darstellungen sexuellen Missbrauchs gehört, so die
       Ermittler, ausgeübt an Kindern ab fünf Jahren.
       
       Laut Fröhlich seien unter den Azov-Kunden auch 800 Deutsche gewesen, gegen
       die das BKA ermittelt. Daraus ergaben sich knapp 20 Verfahren in
       Niedersachsen – eines betreffe Edathy, zu dem seit 5. November in Hannover
       eine Akte geführt werde. Die Bestellungen des SPD-Mannes nannte Fröhlich
       „im Grenzbereich“. Zu sehen seien nackte Jungen im Alter zwischen neun und
       13 Jahren: ohne sexuelle Handlungen, aber „mit Bezug auf Genitalien“.
       Material der sogenannten Kategorie 2. Ob dieses bereits Kinderpornografie
       sei, sagte Fröhlich, sei eine „schwierige Wertungsfrage“.
       
       ## „Im Sinne der Gleichbehandlung“
       
       Umso mehr stellt sich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft bereits allein
       deswegen Edathy durchsuchen – und dessen öffentliche Diskreditierung
       riskieren – durfte. „Wir waren uns dieser hohen Verantwortung sehr
       bewusst“, so Fröhlich. Deshalb habe man eine Gesamtschau aller deutschen
       Azov-Fälle vorgenommen. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Staatsanwaltschaften
       habe bei Kategorie-2-Material Verfahren aufgenommen. Daher beschloss man
       Ende Januar, gegen Edathy zu ermitteln. „Auch im Sinne der Gleichbehandlung
       aller Beschuldigter.“
       
       Der Oberstaatsanwalt verwies auf „langjährige Erfahrungen“, nach denen
       Inhaber von Kategorie-2-Bildern meist auch klar indiziertes Material
       besäßen. Zudem könnten Kunden des Onlineshops nicht ausschließen, dass sie
       nicht auch strafbare Inhalte zugesandt bekämen.
       
       Edathy hatte ein „strafbares Verhalten“ bestritten. Fröhlich gab zu, die
       Ausbeute der Durchsuchung sei „eher mager“ gewesen. Es gebe aber Hinweise,
       dass Computer weggeschafft wurden.
       
       Wusste also Edathy von den Ermittlungen? Einiges spricht dafür. Bereits im
       November hatten Medien über die Zerschlagung des Azov-Versands berichtet.
       Dessen Kunden konnte also ahnen, was auf sie zukommt. Die SPD-Spitze wusste
       sogar seit Oktober von Ermittlungen gegen ihren Innenexperten. Fröhlich
       sagte, diese Vorgeschichte sei ihm nicht bekannt gewesen. „Wir sind
       fassungslos.“
       
       ## Weitere Unstimmigkeiten
       
       Der Oberstaatsanwalt bestätigte, dass sich bereits am 28. November ein
       Anwalt Edathys bei seiner und der Berliner Staatsanwaltschaft nach
       Ermittlungen erkundigt hatte, ebenso beim LKA Niedersachsen. Merkwürdig
       auch: Fröhlich schickte am vorletzten Donnerstag die Beantragung der
       Aufhebung von Edathys Immunität an den Bundestag. Einen Tag später trat der
       SPDler „aus gesundheitlichen Gründen“ zurück. Nur: Fröhlichs Brief
       erreichte den Bundestag erst am jetzigen Mittwoch.
       
       Der Oberstaatsanwalt gibt das Verfahren gegen Edathy dennoch nicht
       verloren. „Es gibt weitere Ermittlungsansätze.“ Edathys Bundestagsbüro sei
       versiegelt, Daten aus dem IT-Referat des Parlaments wurden sichergestellt.
       Zudem werde gegen all jene ermittelt, die Infos aus der Akte Edathy an
       Medien weitergaben.
       
       14 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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