URI: 
       # taz.de -- Volunteers in Sotschi: Dauerlächeln für die Firma
       
       > Die russische Bahn RzD hat für die Olympischen Spiele Hunderte von
       > zusätzlichen Hilfskräften eingestellt. Die Mitarbeiter werden gut
       > bezahlt.
       
   IMG Bild: Immer freundlich bleiben: Lilija Vilesova an ihrem Arbeitsplatz auf dem Bahnhof in Adler
       
       BERLIN taz | Ein Großprojekt wie Olympia braucht viele Heinzelmännchen.
       Doch woher kommen die vielen Freiwilligen? Alleine „Aeroexpress“, eine
       Tochterfirma der Russischen Eisenbahn (RzD), hat eigens für die Spiele
       Hunderte von Volunteers in Sotschi und Umgebung eingestellt. Die meisten
       von ihnen sind junge Frauen aus allen Teilen Russlands.
       
       Lilija Vilesova ist eine von ihnen. Sie ist aus dem rund 2.700 Kilometer
       entfernten Jekaterinburg am Ural angereist, um vier Monate lang in Sotschi
       mit zu helfen. Eigentlich ist Vilesova studierte Kunsthistorikerin, jetzt
       arbeitet sie an der Kasse auf dem Bahnhof des Flughafens in Adler. In
       Sotschi verdient sie monatlich mehr als das Doppelte ihres üblichen
       Monatsgehalts, wie viel genau will sie aber nicht sagen. RzD übernimmt auch
       die Kosten für die Unterkunft der Volonteersvor Ort und für die An- und
       Abreise. Für viele Freiwillige der Russischen Eisenbahn ist das schnell
       verdientes Geld.
       
       Als Lilija Vilesova vor drei Monaten nach Sotschi kam, war sie begeistert
       von den neuen modernen Bahnhöfen und den roten Zügen der Marke
       „Lastotschka“ (Schwälbchen). „Ich hatte gar nicht das Gefühl, in Russland
       zu sein“, erzählt die 31-Jährige. Moderne Züge seien in Russland noch keine
       Selbstverständlichkeit. „Wir Volunteers machen immer Witze, dass wir
       genauso wie die Schwalben unsere kalte Heimat verlassen haben, um in der
       wärmsten Stadt Russlands zu überwintern.“ In Sotschi erlebt die junge Frau,
       die eigentlich an Minustemperaturen gewöhnt ist, den wärmsten Winter ihres
       Lebens.
       
       „Die meisten Besucher sprühen vor Euphorie, wenn sie in Sotschi landen“,
       erzählt Vilesova. Manche Fans steigen mitten in der Nacht mit einer
       russischen Flagge um die Schultern aus dem Flugzeug. „Einmal kam ein Mann
       an die Kasse und rief „Herzlichen Glückwunsch!“. Als ich fragte, aus
       welchem Anlass, antwortete er nur lächelnd: „Es gibt Regen, bald sprießen
       die Pilze.“
       
       ## Ein Aushängeschild
       
       Vilesova selbst sieht sich und die anderen Freiwilligen als Aushängeschild
       der Firma. „Wir sind die ersten, die die Emotionen der Passagiere zu spüren
       bekommen, seien es gute oder schlechte.“ Jeden Tag sitzt sie unablässig
       lächelnd am Schalter. Einmal wurde sie von einer Passagierin gefragt: „Wie
       kommt es eigentlich, dass ihr Volunteers ständig lächelt? Nehmt ihr
       irgendwas, was euch bei Laune hält?“ Vilesova antwortete ihr: „Ihr Besucher
       seid es, die mich zum lachen bringen.“
       
       Vor allem solche, die amüsante Fragen stellen wie: Was kann man sich im
       Olympischen Park anschauen? Reicht unser Geld für eine Fahrkarte nach
       Krasnaja Poljana? Werden wir dort nicht erfrieren? Ist meine Strumpfhose
       nicht zu dünn? Soll ich mir eine Neue kaufen? Und wo? Die meisten Besucher
       wundern sich über die „kommunistischen Preise“: ein Zugticket vom Flughafen
       Adler bis nach Krasnaja Poljana kostet umgerechnet normalerweise knapp 1,50
       Euro.
       
       Neben Personal am Schalter setzt die RzD Volunteers auch auf dem Bahnsteig
       ein. Eingehüllt in dicke Filzstiefel, sogenannte „Walenki“, und
       Arbeitskleidung in den Farben schwarz-rot-grau, empfangen sie die Besucher
       und weisen ihnen den Weg durch die Schranke. Die Freiwilligen sind ein
       beliebtes Fotomotiv und müssen sich häufig von überschwänglichen Gästen
       umarmen lassen.
       
       „Russische Olympia-Fans vergessen immer wieder die Zugtür per Knopfdruck zu
       öffnen“, erzählt eine Freiwillige. In Russland öffnen sich die Türen sonst
       immer automatisch. „Oft lassen die Besucher Sachen im Zug liegen“, erzählt
       die 24-jährige Natalija Petrusenko, die aus dem Kurort Anapa am Schwarzen
       Meer stammt. „Einmal haben wir sogar zentnerschwere Hanteln im Zug
       gefunden. Die mussten dann von zwei Männern ins Fundbüro gebracht werden.“
       
       ## Übertragung auf dem Bahnhof
       
       Am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele waren die Besucher ausgelassen.
       „Es wurden Lieder gesungen und Leute verschiedener Nationalitäten umarmten
       sich.“ Wer an dem Tag keine Tickets für die Eröffnungsfeier bekommen hatte,
       schaute sich die Übertragung auf dem Bahnhof an. „Das war wie früher, als
       man mit der Großfamilie noch gemeinsam fernsah“, sagt Lilija Vilesova.
       
       Während der Olympischen Spiele sind die Fahrten mit den Lastotschka-Zügen
       kostenlos. Eine Geste Russlands an seine Olympia-Besucher. „Die Fahrt für
       lau mag ein Vorteil für die Besucher sein, für mich aber ist sie von
       Nachteil“, sagt Vilesova. „Ich vermisse meine Passagiere schon.“ Gerne
       würde sie sich mit ihnen austauschen, über Siege und Niederlagen oder
       einfach nur über Sotschi.
       
       14 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ljuba Naminova
       
       ## TAGS
       
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
   DIR Sotschi 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Unsere Sotschi-Vierbeiner: Ein Herz für Hunde
       
       Einer der reichsten Russen will ein Adoptionsprojekt für einsame Bellos
       auflegen. Doch das angekündigte Tierheim gibt es gar nicht.
       
   DIR Die erste Olympiawoche: Wie war ich?
       
       Wladimir Putin hat die besten Winterspiele aller Zeiten versprochen. Das
       Sotschi-Team der taz zieht eine Zwischenbilanz.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Dankbar für die Sklavenarbeit
       
       Die Jugend der Welt lässt sich vom IOC bereitwillig ausbeuten. Während die
       Volunteers hart schuften, sitzt der Verband auf seinen Millionen.
       
   DIR Schwul-lesbische Spiele in Moskau: Unter Beobachtung
       
       Nach den Winterspielen soll in Moskau ein Sportfest von Schwulen und Lesben
       stattfinden. Wenn die Behörden nicht alles verhindern.
       
   DIR Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Zimmer frei, privat
       
       „Bei mir werden Sie es gut haben!“, sagt dir Dame vor dem Bahnhof. Zwei
       Finger zeigt sie, für Deutsche zeigt sie drei: für ein Zimmer bei ihr für
       63 Euro.
       
   DIR Kolumne Schwarz-Rot-Gold: Get lucky
       
       Sie kommen aus Deutschland, ja? Dann sind Sie eingeladen zu einer
       virtuellen Kaffeefahrt durch das wundervolle Sotschi. Natürlich kostenlos.