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       # taz.de -- Kolumne Blicke: Bad Deutschland
       
       > Wer wegen Jörg Fauser nach Bad Harzburg fährt, findet immer etwas zu
       > sehen und zu tun. Sonst ist nicht viel los – macht aber nichts.
       
   IMG Bild: Von Bad Harzburg geht es ruckzuck auf den schönen Wurmberg.
       
       So aufgeregt wie vor meiner Reise nach Bad Harzburg war ich schon lange
       nicht mehr – nicht nur, aber vor allem doch deswegen, weil in [1][Jörg
       Fausers] nachgelassenem Roman „Die Tournee“ ebendieses Städtchen eine
       wichtige Rolle hätte spielen sollen.
       
       Und diese Spannung legte sich nicht, als ich die zentrale
       Herzog-Wilhelm-Straße hoch und runter schlenderte – viel mehr kann man in
       Bad Harzburg auch nicht machen.
       
       Das ist nun genau so ein Satz, den man spontan hinschreibt, wenn man über
       die Winterferien in der Provinz war; und der stimmt, aber natürlich auch
       nicht stimmt.
       
       Und ich meine damit nicht den vorweggenommen Leserbrief aus dem [2][Referat
       für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing], der aufzählt, was tatsächlich
       der „Journalist“ so alles hätte sehen und machen können, in der „de luchse“
       Stadt Bad Harzburg.
       
       Der Leserbrief hätte ja recht: Die Luchse haben wir nicht besucht, die
       Sole-Therme ließen wir unbebadet, und ob die Spielbank und die Wandelhalle
       mit Trinkbrunnen überhaupt in Betrieb waren - danach haben wir uns, mit
       vier Kindern im Schlepptau, gar nicht erst erkundigt.
       
       In dieser Logik verbleibend, müssten wir sagen, dass wir eine Stunde auf
       schlechtem Eis Schlittschuhlaufen waren und dafür mehr bezahlten als im
       gepflegten Neuköllner Eisstadion; dass das Silberbornbad geschlossen war
       und man sich im Café Peters keinen Platz für den Verzehr der leckeren
       Torten aussuchen kann, sondern platziert wird, weil es „noch voll“ wird,
       was stimmt, wenn man davon absieht, dass zwei große Säle gar nicht erst
       eingedeckt sind.
       
       ## Guten Tag bei Edeka
       
       Und man könnte davon ausgehend der Beobachtung Raum geben, dass sich der
       Bad Harzburger Immobilienmarkt offensichtlich in einer Krise befindet, wenn
       in dem einstigen Hotel, in dem man wohnt, diverse Ferienwohnungen zum
       Verkauf stehen und sich in der Lobby eine Spielzeugabholstelle für Familien
       auf Hartz IV befindet.
       
       Fast könnte man sagen, am wenigsten gäbe es in Bad Harzburg zu sehen, wenn
       man sich auf dem malerischen Burgberg einfindet.
       
       Denn was mich interessiert, sind ja nicht die mehr oder weniger gelungenen
       Versuche, ein tattrig gewordenes Kurstädtchen eventmäßig aufzumotzen; was
       mich interessiert, ist der Gute Tag, den mir eine Angestellte im Edeka
       zwischen den Regalen wünschte; wären die Sätze der verstummten, die
       Promenade entlangwandelnden alten Ehepaare – der Mann immer etwas gebrochen
       hinter der Frau tapernd –, die sie am Tagesende dann vielleicht doch noch
       austauschen; wäre die Geschichte der kerzengerade hinter ihrem Tresen
       stehenden Souvenirladen-Inhaberin, immer bereit, eine Kundschaft zu
       bedienen, die nicht kommt, aber grundmisstrauisch, sobald zwei Achtjährige
       unangeleint ihr Geschäft betreten.
       
       Es sind die aktuellen Dramen der Provinz und ihre altmodische Höflichkeit,
       die Bad Harzburg zum Romanort machen könnten. Aber Jörg Fauser konnte „Die
       Tournee“ nicht fertigstellen, weil er bei einer Auseinandersetzung mit
       einem Lkw den Kürzeren zog. Und ich: war eben letztlich nur zum prima
       [3][Skifahren] in den Harz gekommen.
       
       14 Feb 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ambros-waibel.de/2010/03/11/ein-gesprach-uber-jorg-fauser-mit-dem-polnischen-germanisten-maciej-jedrzejewski-auszuge/
   DIR [2] http://www.stadt-bad-harzburg.de/
   DIR [3] http://www.wurmberg-alm.de/winter-aktiv/ski-snowboard.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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