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       # taz.de -- Loveparade Duisburg: Die Kleinen hängt man
       
       > Für das Desaster mit 21 Toten müssen weder Duisburgs Ex-Bürgermeister
       > Sauerland noch Organisator Schaller vor Gericht. Angeklagt werden ihre
       > Mitarbeiter.
       
   IMG Bild: Gedenken im Februar 2014 am Unglücksort.
       
       DUISBURG taz | Die Initiatoren der letzten Loveparade entgehen trotz 21
       Toter und 652 Verletzter einem Gerichtsverfahren. Die Staatsanwaltschaft
       erhebt weder gegen Duisburgs abgewählten Oberbürgermeister Adolf Sauerland
       (CDU) noch gegen Loveparade-Organisator Rainer Schaller Anklage. Auch der
       bis heute amtierende Beigeordnete für Sicherheit und Recht, Wolfgang Rabe,
       wird sich nicht vor dem Landgericht Duisburg wiederfinden. Das erklärte der
       leitende Oberstaatsanwalt Horst Bien am Mittwoch.
       
       Anklagen will Biens Behörde lediglich sechs Mitarbeiter Sauerlands, an
       ihrer Spitze den mittlerweile pensionierten Baudezernenten Jürgen Dressler.
       Wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten sollen sich
       auch vier Angestellte von Schallers Firma Lopavent.
       
       Die Massenpanik, in der die Menschen mit der Kraft von rund 45.000 Körpern
       zusammengedrückt wurden, war nach Ansicht der Staatsanwälte unausweichlich:
       Einziger Zugang zum Loveparade-Gelände, einem alten Güterbahnhof, war der
       Karl-Lehr-Tunnel, Ein- und Ausgang für über 445.000 Besucher.
       
       Wie das Bauamt hätten die Lopavent-Planer erkennen müssen, dass es dabei
       „zwangsläufig zu lebensgefährlichen Situationen“ kommen musste, so die
       Ermittler. Bürgermeister Sauerland und Organisator Schaller hätten sich
       nicht mit der konkreten Planung beschäftigt. „Strafrechtlich“ treffe sie
       deshalb keine Schuld. Gegen beide wurde nicht einmal ermittelt. Ignoriert
       wird damit der politische Druck, unter dem gerade das Bauamt stand: Im
       Kulturhauptstadt-Jahr 2010 sollte die Loveparade möglichst billig schöne
       Bilder liefern und das Image der Pleitestadt Duisburg aufbessern.
       
       ## Auch die Polizei bleibt außen vor
       
       Sicherheitsdezernent Rabe machte als enger Mitarbeiter von Sauerland immer
       wieder deutlich, dass „der Oberbürgermeister die Veranstaltung wünscht“.
       Baudezernent Dressler protestierte vergeblich: Er lehne „Zuständigkeit und
       Verantwortung ab“ – und knickte zusammen mit seiner für Baurecht
       zuständigen Amtschefin Anja Geer dann doch ein. Wie Dressler soll sie sich
       deshalb vor Gericht verantworten.
       
       Nicht beleuchtet wird auch die Rolle der Polizei. Das Verfahren gegen deren
       Einsatzleiter Kuno S. wird eingestellt. Dabei verengten nicht nur
       abgestellte Polizeifahrzeuge die viel zu schmale Rampe, die auf das
       Loveparade-Gelände führte. Kurz vor der Katastrophe fuhr auch noch ein
       weiterer Polizeibulli mitten in das tödliche Gedränge – die Beamten hatten
       keinen Funkkontakt mit ihrer Einsatzleitung.
       
       Trotzdem trifft die Polizei, deren Absperrketten von den Ravern im Tunnel
       mehrfach überrannt wurden, nach Ansicht der Staatsanwaltschaft keine
       Schuld: Kuno S. habe „darauf vertrauen können, dass es grundsätzlich
       möglich ist, Besucher gefahrlos auf das Gelände zu führen“, findet
       Oberstaatsanwalt Bien.
       
       Den Angehörigen der Opfer reicht das nicht: „Wir wollen nicht die kleinen
       Leute“, sagt Jörn Teich, Vorsitzender der Initiative Lopa 2010. „Wir wollen
       die, die wirklich Mist gebaut haben.“
       
       12 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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