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       # taz.de -- Terrorprozess in Ruanda: Ein Regime wähnt sich umzingelt
       
       > Ein merkwürdiger Terrorprozess in Kigali beleuchtet Aktivitäten
       > ruandischer Exilgruppen. „Wir sind gewappnet“, sagt Ruandas Armee.
       
   IMG Bild: Auf abenteuerliche Weise nach Ruanda ausgeliefert: Joel Mutabazi.
       
       KIGALI taz | In Handschellen und in Uniform steht Leutnant Joel Mutabazi
       vor seinem Familienhaus in einem kleinen Dorf in Ruanda, 90 Kilometer
       südöstlich der Hauptstadt Kigali. Drei Militärrichter fragen ihn, wo genau
       er die Tatwaffe versteckt habe. Dutzende Militärpolizisten sichern die
       staubige Straße. Nur wenige Kilometer weiter liegt der See Muhazi, an
       dessen Ufern Ruandas Präsident Paul Kagame sein Anwesen hat.
       
       Der Prozess gegen Mutabazi und seine 15 mutmaßlichen Komplizen sorgt
       derzeit in Ruanda für Wirbel. Er soll laut Anklage eine gewaltige
       Verschwörung gegen die Regierung aufdecken. Er gibt auch die paranoide
       Stimmung wieder, die im 20. Gedenkjahr des Völkermords 1994 in dem kleinen
       Land herrscht.
       
       Der 37-jährige Leutnant Mutabazi, in Israel trainiert, gehörte einst zu
       Präsident Kagames Leibgarde. 2011 desertierte er. Seine Dienstwaffe
       versteckte er in seinem Haus und floh ins Nachbarland Uganda. Dort
       beantragte er Flüchtlingsstatus. Im Jahr 2012 feuerte ein Unbekannter auf
       ihn zwei Kugeln ab, als er gerade seine Haustür in Ugandas Hauptstadt
       Kampala öffnete. Sie verfehlten ihn.
       
       Mutabazi bezichtigte Ruandas Geheimdienst eines Mordkomplotts. Dann wurde
       er auf abenteuerliche Weise nach Ruanda ausgeliefert – „entführt“, sagen
       seine Freunde – und steht jetzt vor einem Militärgericht, angeklagt wegen
       Terrorismus, Verrats, Desertion, Formierung einer bewaffneten Gruppe, Mord
       und illegalem Waffenbesitzes.
       
       Was jetzt vor dem Militärgericht zutage kommt, stellt die Geschichte
       regelrecht auf den Kopf: Mutabazis Bruder und Onkel sagen, der Angeklagte
       habe sich selbst angeschossen, und sie hätten in seinem Auftrag dafür die
       Dienstwaffe nach Uganda geschmuggelt. Motiv: Er wollte bewirken, dass die
       internationale Gemeinschaft das Regime in Kigali bezichtige, Dissidenten im
       Ausland umzubringen.
       
       ## Von Uganda bis Südafrika
       
       Mit auf der Anklagebank sitzen zwei mutmaßliche Mitglieder der im Kongo
       aktiven Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) sowie
       acht Studenten, die angeblich von der Exilpartei RNC (Ruandischer
       Nationalkongress) rekrutiert wurden. Alle gehörten zur Verschwörung, so die
       Anklage. Mutabazi sei die Schlüsselfigur: Er habe in Uganda den Link
       zwischen der FDLR im Kongo und dem RNC in Südafrika hergestellt.
       
       Fakt ist, dass die FDLR jüngst tatsächlich zahlreiche Allianzen mit
       ruandischen Oppositionellen eingegangen ist. Wöchentlich schickt sie
       Presseerklärungen um die Welt, um die neuen Koalitionen zu verkünden: mit
       Ruandas kleiner Sozialistischer Partei, mit Expremier Faustin Twagiramungu.
       Ruandas Regierung hält Tansanias Präsidenten Jakaya Kikwete für den Paten
       dieser Bündnisse.
       
       Jetzt fühlt man sich in Kigali umzingelt: Tansania hat im UN-Rahmen Truppen
       im Ostkongo stationiert, die vergangenes Jahr die Tutsi-Rebellen der von
       Ruanda unterstützten M23 (Bewegung des 23. März) besiegten. Wo früher die
       M23 stand, stehe jetzt die FDLR und spioniere die Grenze zu Ruanda aus, um
       einen erneuten Krieg vorzubereiten, heißt es in Militärkreisen in Kigali.
       Vorsorglich hat Ruanda enorme Truppenverbände an die Grenze geschickt. „Wir
       sind gewappnet“, heißt es.
       
       Zwar hat die UN-Mission im Kongo (Monusco) angekündigt, nach der M23 auch
       gegen die FDLR zu kämpfen. Doch dies ist bislang nicht geschehen.
       Stattdessen reorganisiere sie sich, heißt es. „Die Monusco ist ein Witz“,
       schimpft Ruandas Armeesprecher Joseph Nzabamwita.
       
       „Es herrscht Kampfstimmung und wir wissen, dass sie heimlich infiltrieren
       und Waffendepots innerhalb des Landes anlegen“, berichtet Jean Sayinzoga,
       Chef von Ruandas Demobilisierungskommission, über die FDLR. Jüngst sei ein
       Versteck voller Granaten in einer Teeplantage entdeckt worden. Immer wieder
       explodieren in Ruanda Granaten, die letzte vor drei Wochen in der
       Touristenhochburg Musanze.
       
       FDLR-Übergangspräsident Victor Byiringiro erklärte zwar vor zwei Wochen,
       die FDLR werde „die Waffen niederlegen“, wenn Kigali mit ihnen verhandle.
       Ruanda aber vermutet dahinter einen Trick. „Mit wem sollen wir denn
       verhandeln?“, fragt Sayinzoga: „Mit Völkermördern?“
       
       13 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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