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       # taz.de -- Sotschi 2014 – Shortrtack, Männer: Die gekaufte Medaille
       
       > Der gebürtige Südkoreaner Viktor An holt für Russland Bronze. Dem
       > dreifachen Gold-Gewinner fehlte nach einer Verletzung in seiner Heimat
       > die Perspektive.
       
   IMG Bild: Victor An für Russland neben Park Se-Yeong für Südkorea.
       
       SOTSCHI taz | „Viktor, Viktor, Viktor!“ Bei der Blumenzeremonie nach dem
       1.500-Meter-Finale im Shorttrack ist es noch einmal ganz laut geworden in
       der Halle. Ein Russe hatte gerade Bronze gewonnen – hinter Charles Hamelin
       aus Kanada und dem Chinesen Han Tianju.
       
       „Viktor, Viktor, Viktor!“ Viktor An hat mehr gewonnen als die meisten
       Shorttracker auf der Welt. Doch so ist ihm noch nie zugejubelt worden. Bei
       den Olympischen Spielen von Turin hat er dreimal Gold für Südkorea
       gewonnen. Da hieß er noch Ahn Hyun-Soo. Am Montag in Sotschi wollte er
       wieder Gold gewinnen – für Russland. Der ehemalige Superstar des Shorttrack
       ist seit drei Jahren Russe und seit Montag ein medaillengekrönter. Ganz
       ernst saß er nach seinem Sieg auf dem Podium. Dass er glücklich war, wie er
       sagte, war ihm nicht anzusehen.
       
       Als er sich 2008 am Knie verletzt hat, konnte er acht Monate nicht
       Schlittschuh laufen. Und als er sich daranmachen wollte, wieder zurück ins
       südkoreanische Team zu kommen, war plötzlich kein Platz mehr für ihn da.
       Mit der Elitegruppe des koreanischen Verbands hat er sich darüber derart
       zerstritten, dass ihm eines schnell klar wurde: Im starken Team Südkoreas
       hatte er keine Zukunft mehr.
       
       Sein Vater machte sich auf die Suche nach einem Ausweg. Und fand diesen in
       Russland. Dort begann An 2011 zu trainieren. „Eine harte Zeit“, wie er sich
       erinnert. Aus Ahn Hyun-Soo wurde Viktor An. Schnell fing er an, Russisch zu
       lernen. So richtig gut will das aber heute noch nicht klappen.
       
       ## Viktor steht für „Sieg“
       
       Die Kommunikation mit den Teamkameraden ist mühsam. Warum er sich Viktor
       genannt hat, kann er schon auf Russisch erklären. Zum einen stehe Viktor
       für „Sieg“, zum anderen wolle er damit einem der berühmtesten russischen
       Künstler die Ehre erweisen, dessen Vater Koreaner war: Viktor Zoi – der
       Kopf der legendären Rockband Kino. Zoi, der 1990 bei einem Autounfall ums
       Leben gekommen ist, wird kultisch verehrt in Russland, weil er seiner
       Freiheitsliebe in der Endphase der Sowjetunion kompromisslos Ausdruck
       verliehen hat.
       
       An will nicht nur Russe sein, er will ein cooler Russe sein – und ein
       wahrer. Bei jeden Interview, das er russischen Medien gibt, muss er
       versichern, dass er sich als wahrer Russe fühlt. Den Text der russischen
       Nationalhymne beherrscht er schon. Wenn er sie singe, sagt er, komme das
       ganz tief aus seinem Herzen. Und in jedem Gespräch muss er versichern, dass
       es ihm Ernst ist mit seiner Immigration, muss versprechen, dass er nach den
       Spielen von Sotschi wirklich in Russland bleiben wird.
       
       Viel anderes bleibt ihm auch nicht übrig. Die koreanische
       Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen. Und an den Streit mit dem
       koreanischen Verband will er auch nicht erinnert werden. Darüber hätten die
       Medien zu viel geschrieben. „Da gibt es keine Probleme“, sagte er.
       
       Seitdem ihm der damalige russische Staatspräsident Dmitri Medwedjew die
       Staatsbürgerschaft höchstpersönlich per Erlass verschafft hat, gibt es
       indes Zweifel im Land, ob die Russifizierung des Koreaners mehr ist als der
       Einkauf eines Sportlers, dem zugetraut wird, eine Medaille für Russland zu
       gewinnen. Und ein Einkauf war es gewiss.
       
       ## Das Short-Track-Team für Russland
       
       Zahlen darüber, wie viel die Integration Ans gekostet hat, sind nicht
       bekannt. In jedem Fall haben die Russen dem jungen Mann geboten, was kein
       anderer Verband der Welt hätte leisten wollen. Ihm wurden die gleichen
       Trainingsbedingungen geschaffen, wie er sie im Short-Track-Land Südkorea
       auch hatte. Er ist ein Profi.
       
       Dafür hat er ein weiteres Versprechen abgegeben. Er will sich um den Aufbau
       eines schlagkräftigen russischen Short-Track-Teams kümmern. Seine
       russischen Kameraden lachen, wenn sie darauf angesprochen werden. „Mongole“
       wird er von ihnen genannt. Ist er wirklich schon ein echter Russe?
       
       Landsmann Semjon Jelistarow, der im Halbfinale des 1.500 Meter-Wettbewerbs
       ausgeschieden ist, sagt dazu: „Die Russen haben eine ganz eigene
       Mentalität. Wenn ein Olympiasieger seine Schnürsenkel auf eine spezielle
       Weise bindet, dann bindet bald das ganze Land seine Schnürsenkel so.“ An
       hat allerdings nur die Bronzemedaille gewonnen. Doch er startet noch
       zweimal in Sotschi. Über 500 Meter und in der Staffel. Vielleicht wird
       seine Russifizierung ja dann vollendet. Er traut es sich zu, wie er
       beteuert.
       
       10 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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