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       # taz.de -- Sotschi 2014 – Curling, Vorrunde: Fit for Gold
       
       > Das Team aus Kanada gerät gegen Deutschland fast ins Straucheln. Dabei
       > strotzt der große Favorit vor Selbstbewusstsein.
       
   IMG Bild: Ryan Fry, Ryan Harnden, E.J. Harnden im Spiel gegen Deutschland.
       
       SOTSCHI taz | Die Curling-Halle ist voll mit Russen. Man könnte denken, sie
       feiern gerade den Olympiasieg ihres Teams, so viel Lärm schlagen sie. Die
       Steine machen plopp-plopp, und sie rufen „Russia, Russia“. Es war wohl noch
       nie lauter in einer Curling-Halle, wo man eher „Oh“ und „Ah“ macht und
       dezent applaudiert, wenn ein schöner Take-out gelungen ist. Russland ist im
       Curling ungefähr so bedeutend wie San Marino im Fußball, weswegen die
       curlenden Russen gegen die Briten keine Chance haben. Die Fans stört das
       nicht wirklich.
       
       Der Lärm hüllt auch die deutschen Spieler ein, die sich auf Bahn 4 gegen
       den Olympiasieger aus Kanada behaupten müssen. Die Nordamerikaner sind die
       Großmeister dieses Spiels. Namen wie Kevin Martin, der Sieger von
       Vancouver, kennt jedes Kind.
       
       Der onkelhafte Martin ist leider im kanadischen Qualifikationsturnier im
       Halbfinale rausgeflogen, weswegen jetzt eine Truppe aus Nord-Ontario auf
       dem Eis steht, das natürlich ein kanadischer Eismeister, Hans Wuthrich,
       perfekt präpariert hat. 50.000 Liter Wasser hat er dazu gebraucht und
       hübsche kleine Noppen aufs Eis gezaubert.
       
       Curling ist in Kanada fast immer eine Familienangelegenheit. Skip Brad
       Jacobs ist der Cousin der Brüder Ryan und EJ Harden. Ryan Fry, der das Team
       komplettiert, fällt etwas aus der Rolle, denn er ist erst vor 16 Monaten
       dazugestoßen, aber schon jetzt fühlt er sich wie ein Blutsverwandter.
       
       ## Eine kleine Sensation
       
       „Wir passen gut zusammen“, sagt er. „Wir sind eine Familie, nur Ryan ist
       ein bisschen ein Zigeuner“, scherzt Jacobs. Dass eine Mannschaft mit einem
       Neuen in kürzester Zeit durchstartet und das härteste Turnier der Welt, die
       kanadischen Ausscheidungen, gewinnt, gilt in Kanada als kleine Sensation.
       „Wir sind extrem schnell zusammengewachsen“, bestätigt Fry.
       
       Das Team setzt viel auf Fitness, weswegen man sie mit ihren breiten Kreuzen
       und den aufgepumpten Oberarmen auch für Bob-Anschieber halten könnte. Gut
       möglich, dass sie mit den 20 Kilo schweren Steinen Krafttraining machen, um
       dann besonders flink mit dem Besen schrubben zu können. „Der Fitnesslevel
       ist auch im Curling wichtig, deswegen trainieren wir extrem hart, auch
       physisch“, sagt Fry.
       
       Kanadas Branding sei diesmal: Wir sind das fitteste Team. Sie sprechen sehr
       selbstbewusst vom Gewinn der Goldmedaille, ganz so, als hinge die Plakette
       schon um ihren Hals. Dass es vielleicht doch etwas schwerer werden könnte,
       zeigte das mit 11:8 gewonnene Spiel gegen die Deutschen. Im vorletzten End
       stand es nur 9:8 für Kanada.
       
       Erst mit dem letzten Stein distanzierten sie Curling-Deutschland, heuer
       vertreten durch Verleger-Spross John Jahr junior junior, der mit seinen
       Hamburger Curlingjungs ein famoses Comeback hingelegt hat; bereits 1987 war
       Jahr einmal WM-Zweiter. Heute wirkt der durchaus als Lebemann zu erkennende
       Jahr etwas hüftsteif, aber das Körperliche, beschwichtigt er, sei für einen
       Skip nicht so wichtig: „Ich habe ja das Glück, dass ich nicht wischen
       muss.“
       
       ## Putins gute Idee
       
       „Auf Tuchfühlung“ sei sein Team gewesen, manchmal habe man sich freilich
       schwer verständigen können im Ice Cube Curling Centre: „Wenn die Russkis
       erst mal schreien, ist kein Halten mehr“, gab der 48-Jährige zum Besten.
       Das olympische Dorf mag für einen wie ihn etwas spartanisch eingerichtet
       sein, nichtsdestotrotz fühlt er sich in Sotschi wohl, und auch Putins Idee,
       genau hier, zwischen Schwarzem Meer und dem Kaukasus, ein
       Wintersportzentrum zu errichten, erschließe sich ihm langsam. Angereist sei
       er mit vielen Ressentiments, doch jetzt gefalle es ihm eigentlich ganz gut
       bei den Russkis.
       
       Jahr, dem sein Großvater ein kleines Vermögen hinterlassen hat, curlte von
       2000 bis 2010 gar nicht, und als er wieder einstieg, da habe er wie ein
       „Ochs vorm Berg“ gestanden, weil sich taktisch so viel geändert habe. Die
       Anstöße dafür sind wieder aus Kanada gekommen. Dass es zum Auftakt der
       Curling-Wettbewerbe so eng zuging, habe damit zu tun, sagte Jahr, „dass die
       uns unterschätzt haben“. Kanada rettete sich mit einem „Character-Game“ ins
       Ziel. Reine Formsache.
       
       10 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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