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       # taz.de -- Ausstellung im Hamburger Bahnhof: Virtuelle Manöverkritik
       
       > Harun Farockis Werkreihe „Ernste Spiele“ ist in Berlin zu sehen. Darin
       > untersucht er Computersimulationen, mit denen GIs ausgebildet werden.
       
   IMG Bild: Schon in früheren Ausstellungen - hier im Museum Mathildenhöhe in Darmstadt, 2011 - beschäftigte sich Harun Farocki mit dem Thema „Serious Games“
       
       Krieg ist kein Theaterstück, aber auch für die ultimative
       Realitätserfahrung des Waffengangs gibt es Proben. Früher sprach man von
       Manövern, im Kalten Krieg hatte diese durchaus den Charakter von
       Aufführungen, mit denen der Gegner so beeindruckt werden sollte, dass er
       von Kriegshandlungen Abstand nahm.
       
       In dem Maß, in dem sich Bedingungen der Kriegsführung seither verändert
       haben, haben sich auch die technischen Voraussetzungen verändert. Dies ist
       das zentrale Thema von Harun Farockis vierteiliger Arbeit „Ernste Spiele“,
       die nun im [1][Hamburger Bahnhof] zu sehen ist.
       
       Sie wird mit älteren Arbeiten des Berliner Filmemachers kombiniert: Etwa
       „Nicht löschbares Feuer“, sein Klassiker aus der Zeit des Vietnamkriegs, in
       dem er die Wirkung von Napalm gleichsam in das Filmmaterial, aber auch in
       seinen Körper, einbrannte, indem er sich vor laufender Kamera mit einer
       Zigarette eine Brandwunde zufügte.
       
       Farocki ist durchaus der Filmemacher und Essayist geblieben, als der er
       begonnen hatte: ein Filmkritiker, der, das Medium selbst zum Ort der Kritik
       macht.
       
       ## Zwischen Sprache und Bild
       
       Wobei die charakteristische Spannung zwischen Sprache und Bild bei ihm ein
       wesentlicher Faktor gerade in seinen installativen Arbeiten ist. Diese
       bestehen häufig aus zwei Screens, wobei er einen für eine Kommentarspur
       nützt. Im Hamburger Bahnhof wurden die vier Teile von „Serious Games“ in
       dem großen Raum oberhalb des Cafés so gehängt, dass man dazwischen
       flanieren kann, soweit es jedenfalls die Dunkelheit erlaubt, an die sich
       das Auge erst allmählich gewöhnt.
       
       Der vierte Teil trägt den Titel „Eine Sonne ohne Schatten“ und enthält so
       etwas wie eine Summe dieser langwierigen Beschäftigung mit der Rolle
       virtueller Bildproduktion für die moderne Kriegsführung. Was früher die
       Manöver waren, findet heute am Bildschirm statt. Soldaten üben mit der Maus
       die Bewegungen, die es ihnen erlauben sollen, in einer Landschaft ohne
       Verletzungen zu bestehen. Die Gefahren werden von den Vorgesetzten und
       Ausbildern platziert, indem sie aus einer Liste angeklickt werden, die
       dafür programmiert wurde.
       
       Eine Dose kann Sprengstoff enthalten oder einfach Müll sein. Die Pointe der
       „Serious Games“ besteht in einer Beobachtung, die Farocki während seiner
       Recherchen gemacht hat: dass nämlich die gleichen virtuellen Szenarien vor
       und nach dem Einsatz verwendet werden. Krieg wird zu einem Zwischenspiel im
       Realen, einem – potentiell tödlichen – Intermezzo, das von Vorbereitung und
       Nachbearbeitung, von Instruktion und Therapie umgeben wird.
       
       Farocki spricht einmal vom „Licht der traumatischen Erfahrung“. Dabei
       bleibt offen, ob es nicht eine Verdoppelung des Traumas ist, auf die er
       hier anspielt. Denn die beiden Systeme der Bildfunktion sind eben durch
       durch diesen Sturz ins Reale getrennt, den auszuschalten man vielleicht als
       die wichtigste Tendenz in der fortschreitenden Technisierung des Krieges
       (Stichwort: Drohnen) sehen könnte.
       
       ## Ein zentraler Begriff: Asymetrie
       
       Das System der Vorbereitung und das System der Erinnerung ist in „Serious
       Games“ auch durch ein visuelles Detail getrennt, von dem der Titel „Eine
       Sonne ohne Schatten“ spricht: für die virtuelle Therapeutik sind die
       Budgets geringer, sodass hier keine Schatten in die Bilder programmiert
       werden.
       
       Das hat eine plausible Logik, insofern es ja nicht darum geht, eine externe
       Wirklichkeit zu verdoppeln, sondern nur den Anstoß zugeben, um Erfahrungen
       aufzurufen und zugänglich zu machen, die anders nicht zu verarbeiten wären.
       
       Farocki beendet das Projekt „Serious Games“ mit einem ambivalenten Begriff:
       Beide Systeme, die virtuellen Manöver- wie die Bewältigungsbilder,
       verwenden „asymmetrische Bilder“. Eine Anspielung auf den wichtigsten
       Begriff, der zum Verständnis neuerer Konflikte in Umlauf ist.
       
       Was ist damit in Hinsicht auf die „Ernsten Spiele“ gemeint? Asymmetrie
       bezieht sich auf das Gefälle zwischen Virtualität und Gefechtsrealität. Sie
       wird verzeitlicht und auf den Punkt hin radikalisiert, an dem ein
       verwundbarer Körper die Differenz zwischen einer virtuell und einer real
       tödlichen Dose erweisen muss.
       
       10 Feb 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/ausstellungen/ausstellung-detail.html?tx_smb_pi1%5BexhibitionUid%5D=1017&cHash=ae8df107d8e11c9c5266c0dddccf258f
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Rebhandl
       
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