# taz.de -- Außengrenze der Europäischen Union: Tragödie durch Polizeieinsatz
> Der Tod von 13 Flüchtlingen an der Grenze zur spanischen Exklave Ceuta
> geht offenbar auf einen überzogenen Polizeieinsatz zurück. Die Regierung
> sieht's anders.
IMG Bild: Der Grenzzaun, der die spanische Exklave Melilla vom marrokkanischen Hinterland trennt.
MADRID taz | Was zuerst wie ein tragischer Unfall aussah, ist nach
Opferaussagen die Folge eines völlig überzogenen Polizeieinsatzes zum
Schutz der Grenze der spanischen Exklave Ceuta. 13 Flüchtlinge verloren
dabei am Donnerstag morgen ihr Leben. Sie ertranken im Meer vor dem
Grenzzaun.
Insgesamt hatten 400 Schwarzafrikaner versucht von Marokko aus die Grenze
nach Ceuta zu stürmen. 200 gingen an den Strand, um den über sechs Meter
hohen Grenzzaun, der 20 Meter weit ins Meer ragt, zu umschwimmen.
Die spanische Polizei Guardia Civil hätte zu keinem Zeitpunkt eingreifen
müssen, erklärte das Innenministerium in Madrid wenige Stunden nach der
Tragödie. Die marokkanischen Kollegen hätten den Ansturm allein
„zurückgewiesen“.
Diese Version stürzte wie ein Kartenhaus zusammen, als Überlebende zum
Handy griffen. Sie berichteten der spanischen Nichtregierungsorganisation
Caminando Fronteras was wirklich geschah.
„Wir wurden mehr von der Guardia Civil angegriffen, als von den
Marokkanern“, erzählt ein Flüchtling aus Kamerun. „Sie schossen mit
Gummigeschosse auf uns, um unsere Luftmatratzen zu zerstören, und sie
versprühten Tränengas. Einige von uns bekamen Panik“, beschreibt er den
Polizeieinsatz.
## Panik im Wasser
Er berichtet von Ohnmächtigen, die im Wasser trieben, von Kollegen die
ertranken. Vier der Todesopfer wurden im Tumult erdrückt.
Ein Gruppe von Flüchtlingen schaffte es – so die Berichte per Telefon -
wohl tatsächlich auf spanisches Gebiet: „Sie wurden wieder hinausgedrängt.“
Nach spanischem Ausländergesetz ist dieses in Ceuta und in der zweiten
Exklave Melilla übliche Vorgehen illegal. Wer einmal in Spanien ist, kann
nur per richterlichem Bescheid abgeschoben werden.
Nachdem mehrere Radiosender Mittschnitte der Augenzeugenberichte
ausgestrahlt hatten, gab die Guardia Civil schließlich den Einsatz von
Gummigeschossen und Tränengas zu, allerdings nur gegen Flüchtlinge an Land.
Diese hätten die Beamten mit Steinen beworfen.
## Innenministerium: Polizeieinsatz war „angemessen“
„Es ist das erste Mal dass sie mit dieser Aggressivität versuchten
einzudringen. Die Guardia Civil hat Schreckschusspistolen und
Gummigeschosse eingesetzt, um die Menge zu zerstreuen“, heißt es von
offizieller Seite. Das Innenministerium der konservativen Regierung unter
Mariano Rajoy bezeichnet den Einsatz als „angemessen“.
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) sieht dies
anders. Es fordert Spanien auf, „bei der Grenzüberwachung die Grundrechte
zu respektieren“.
„Das UNHCR ist besorgt darüber, dass diejenigen, die internationalen Schutz
brauchen, auf der Suche nach diese Schutz und nach Sicherheit an der
Schwelle zu Ländern der Europäischen Union ihr Leben aus Spiel setzten,
oder gar verlieren“, erklärt der UNHCR-Südeuropasprecher Laurens Folles.
## Ruf nach Konsequenzen
Das europäische Netz der Flüchtlingshilfsorganisationen Migreurop fordert
von Spanien einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Und Spaniens
größte Oppositionspartei, die sozialistische PSOE verlangt, dass
Innenminister Jorge Fernández Díaz sich den Fragen des Parlaments stellt.
Die Vereinigte Linke (IU) geht noch einen Schritt weiter. Der Minister
müsse „sofort zurücktreten“, das verlange „die Moral und die Demokratie“.
7 Feb 2014
## AUTOREN
DIR Reiner Wandler
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