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       # taz.de -- Kommentar UNO kritisiert Vatikan: Täterschutz von ganz oben
       
       > Die UNO traut sich was: Sie wirft dem Vatikan mangelnde Aufarbeitung vor.
       > Die Katholische Kirche schmollt und tut weiterhin nichts für die Opfer.
       > Alles wie gehabt.
       
   IMG Bild: Sünder sind überall.
       
       Bei oberflächlichem Hinsehen möchte man meinen: Alles wie gehabt. Der
       Vatikan steckt Prügel ein, muss sich erneut nicht bloß den massenhaften
       Missbrauch von Kindern durch Angehörige des Klerus, sondern obendrein auch
       die flächendeckende Vertuschung dieser Verbrechen vorwerfen lassen – und
       hat als Reaktion auf die Vorwürfe wieder einmal die gut eingeübte
       Beleidigte-Leberwurst-Nummer zu bieten.
       
       Den Aufschlag machte diesmal die UNO-Kinderrechtskommission. In einem
       Report, der auf die der Kirche so lieben diplomatischen Relativierungen
       völlig verzichtet, liefert die Kommission eine gnadenlose Abrechnung.
       
       Da geht es nicht bloß um die zehntausenden Missbrauchsfälle der vergangenen
       Jahrzehnte, sondern auch um den Umgang der Kirche mit ihnen: um das
       jahrzehntelange Herunterspielen, um den Eifer, mit dem der Vatikan den
       Deckel draufhielt, um die Sorge, ja bloß nichts nach außen dringen zu
       lassen; um eine Politik, die den Opferschutz hintanstellte und sich vor
       allem dem Täterschutz widmete, per Schweigegebot bei
       Exkommunikationsandrohung für alle, die von den Fällen wussten; um
       „Lösungen“, die in der puren Versetzung der Täter von einer Pfarrei zur
       andren bestanden – wo sie dann fröhlich weitermachen konnten; um den
       Verzicht der kirchlichen Hierarchien darauf, die weltlichen
       Strafverfolgungsbehörden einzuschalten.
       
       All dies sind Fakten, die nach der Welle der Missbrauchsskandale in der
       Kirche nur allzu bekannt sind – wenigstens denen, die sie zur Kenntnis
       nehmen wollten. Und doch ist durchaus nicht alles wie gehabt. Denn diesmal
       ist es ein UN-Organ, das ganz offiziell mit dem Vatikan abrechnet. Mehr
       noch: das dem Vatikan Vertragsbruch vorwirft. „Einmischung“ ist das nicht –
       schließlich hat auch der Heilige Stuhl die UN-Kinderrechtskonvention
       unterzeichnet und sich damit ganz offiziell der Beobachtung durch die
       Kommission unterworfen.
       
       ## Zweifel an der These sind erlaubt
       
       Und die Kirche? Sie reagiert, wieder einmal, tief beleidigt. Da ist zum
       einen das Argument, unter Benedikt XVI. seien doch immerhin in den Jahren
       2011-2012 stolze 400 Priester zwangsweise in den Laienstand versetzt
       worden, weil sie sich Übergriffe gegen Kinder zuschulde kommen ließen. Die
       Botschaft ist klar: Die Wende ist doch schon vollzogen, und zwar durchaus
       nicht erst unter Franziskus, sondern schon unter seinen Vorgängern Wojtyla
       und Ratzinger. Zweifel an dieser These sind erlaubt.
       
       Gewiss, Pädophile haben es heute schwerer in der römisch-katholischen
       Kirche – und doch wird man den Eindruck nicht los, dass bislang weiterhin
       ein Kriterium ungebrochen gilt: dass der Ruf der Institution wichtiger sei
       als das Schicksal der Opfer.
       
       Denn – und auch dies moniert der Report – der Vatikan hat bisher nie
       wirklich reinen Tisch gemacht und seine eigenen Archive geöffnet. Auch
       jetzt wieder erfahren wir, das gehe nicht; schließlich müsse der „Zeugen-
       und Opferschutz“ gewahrt bleiben. Wie immer schon werden mithin die Opfer
       am besten dadurch geschützt, dass die Fälle unter der Decke und die Täter
       anonym bleiben.
       
       ## Das Fleisch ist eben schwach
       
       Und da ist zum anderen das routiniert abgespulte Argument – diesmal geboten
       vom Vatikan-Nuntius in Genf, Silvano Tomasi – die ganze
       Missbrauchsdiskussion gehe recht eigentlich gar nicht in besonderer Weise
       den Klerus an. Schließlich gebe es pädophile Übergriffe überall, selbst in
       den am meisten geachteten Berufsgruppen der Welt – da ist es dann in dieser
       Logik gleichsam unvermeidlich, dass auch immer mal wieder ein Priester
       unter den Tätern auftaucht.
       
       Dieses Argument hat einen schönen Vorteil: Es beendet die Diskussion statt
       sie zu eröffnen, mit einem albern-verniedlichenden Verweis darauf, dass das
       Fleisch eben schwach und Sünder überall sind. Ganz so einfach ist es nicht,
       und sei es bloß, weil Priester ganz andere Möglichkeiten haben, zum
       pädophilen Missbrauch zu schreiten als, sagen wir einmal, ein Rechtsanwalt.
       
       Doch unter Franziskus soll alles ja ganz anders werden. Eine neue
       Vatikan-Kommission ist eingesetzt, die sich dem Umgang der katholischen
       Kirche mit den Missbrauchsfällen widmen soll. Wie auf so vielen anderen
       Fällen auch hat Papst Bergoglio sich allein mit dieser Ankündigung als
       kraftvoller Neuerer inszeniert. Auch zu diesem Thema allerdings stehen die
       Taten noch aus.
       
       6 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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