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       # taz.de -- Proteste im Osten der Ukraine: Unruhe in Janukowitschs Heimat
       
       > Auch in Dnepropetrowsk regt sich Widerstand gegen das korrupte Regime in
       > Kiew, gerade bei den jungen Leuten. Die Älteren wollen lieber arbeiten.
       
   IMG Bild: Schläger beobachten eine regierungskritische Demo in Dnepropetrowsk.
       
       DNEPROPETROWSK taz | Wenn man den zentralen Platz in Dnepropetrowsk, eine
       der größten Städte im Osten der Ukraine, betritt, kann man an den wenigen
       Flaggen der EU und der Ukraine erkennen, dass die Lage in Kiew ernst ist.
       In Dnepropetrowsk ist es momentan sehr kalt, und die Kälte lädt nicht
       gerade zu Protesten ein.
       
       Traditionellerweise unterstützt der Osten des Landes die Politik der Partei
       der Regionen von Präsident Wiktor Janukowitsch. Diese Unterstützung wird
       von Tag zu Tag weniger. Davon zeugt der Versuch, die Büros der örtlichen
       Verwaltung zu erstürmen. Nach dem Versuch wurde das Gebäude mit
       Stacheldraht umzäunt – wie in Zeiten des Krieges.
       
       Noch vor einigen Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass man sich in
       dieser Stadt aktiv gegen die Regierung äußern würde – so stark war dort die
       Unterstützung der regierenden Partei. Jetzt verändert sich alles, weil
       immer mehr Menschen sehen, dass die Politik des Präsidenten Janukowitsch
       dazu geführt hat, dass die ukrainische Wirtschaft zu Grunde gerichtet wird
       und das Land immer mehr Kredite aufnehmen muss.
       
       Diese Kredite dienen aber nicht zur Durchführung von Reformen, sondern zur
       Tilgung von Schulden, oder sie landen in den Taschen von Beamten und
       anderen Männern des Apparats, die sich damit in den Vorstädten Villen
       bauen. Am unzufriedensten mit der Lage ist die Jugend, die über einen
       Internetzugang verfügt, das Ausland bereist hat und das Leben in der
       Ukraine und in anderen Ländern vergleichen kann.
       
       Der Student Alexander erzählt: „Wenn ich mit dem Studium an der Akademie
       fertig bin, möchte ich eine Arbeit finden, die es mir ermöglicht, normal zu
       leben. Von den Gehältern, die uns momentan gezahlt werden, werde ich mir
       nie eine eigene Wohnung leisten können. Das kann man nur schaffen, wenn man
       eine Stelle in der lokalen Verwaltung hat. In Dnepropetrowsk läuft alles
       über Bestechungen und Absprachen. Bestechen muss man sogar an der Akademie,
       um die Prüfungen ablegen zu können. Ich will so nicht leben und viele
       meiner Freunde wollen so auch nicht leben. Wir wollen in einem normalen
       Land leben, in dem es keine Korruption geben wird und in dem die Gesetze
       für alle gleich sein werden. Deswegen unterstütze ich den Euromaidan in
       Kiew.“
       
       ## „Wir müssen arbeiten gehen“
       
       Menschen im mittleren Alter, die noch zu Zeiten der Sowjetunion
       aufgewachsen sind, sind in ihrer Meinung jedoch viel zurückhaltender.
       Irina, die in einer Fabrik als Ingenieurin arbeitet, meint: „Ich kann nicht
       sagen, dass ich gegen den Euromaidan bin. Im Land ist wirklich vieles nicht
       in Ordnung. Ich unterstütze es aber nicht, dass die Leute ihre Arbeit links
       liegen gelassen haben, um nach Kiew zu fahren und dass dort Blut vergossen
       wird. Um besser leben zu können, müssen wir nicht auf dem Maidan stehen,
       sondern arbeiten gehen.
       
       Viele Menschen aus unserer Region arbeiten in Russland oder in Polen und
       Italien. Das ist die Lösung für diejenigen, denen die Ukraine nicht
       gefällt. Ich bin der Meinung, dass sich die Probleme auflösen werden, wenn
       man im eigenen Land fleißig arbeitet. Und Europa werden wir dann nicht mehr
       brauchen. Für die Europäer sind wir doch nur billige Arbeitskräfte und ein
       Ort, an dem sie Waren verkaufen können, die sie selbst nicht brauchen.“
       
       Die Unterstützung der Partei der Regionen und des Präsidenten Janukowitsch
       in der Ostukraine ist leicht zu erklären. Die Partei der Regionen ist im
       Osten des Landes entstanden, der Präsident selbst stammt aus dem Gebiet
       Donezk. Aus diesem Grund sind die Einwohner bereits daran gewöhnt, für ihre
       Leute zu stimmen. Es besteht die Hoffnung, dass Bewohner der eigenen Region
       an die Macht kommen und sich mehr um die eigenen Leute kümmern werden, dass
       ihre Politik klar und verständlich für ihre Wähler sein wird.
       
       Im Osten der Ukraine gibt es viel mehr Menschen aus der Arbeiterklasse als
       in anderen Regionen des Landes. Sie interessieren sich nicht für Politik
       und sind an ein ruhiges, ausgeglichenes Leben gewöhnt. Seit Generationen
       arbeiten sie in Fabriken, Werken und im Bergbau. Die Nähe zur russischen
       Grenze führt zu einer engen Zusammenarbeit von ukrainischen und russischen
       Geschäftsmännern. Für sie ist es von Vorteil, wenn die Ukraine und Russland
       zusammenbleibe. Sie sind davon überzeugt, dass eine Zusammenarbeit mit
       Europa die Beziehungen erschweren kann.
       
       7 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrej Nesterko
       
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