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       # taz.de -- Friedensgespräche im Nahen Osten: Kerry verstärkt den Druck
       
       > Der US-Außenminister wird bald seinen Rahmenplan für die
       > Friedensverhandlungen vorlegen. Das macht Israelis und Palästinenser
       > nervös.
       
   IMG Bild: Israelische Soldaten setzen Tränengas gegen protestierende Palästinenser ein.
       
       Martin Indyk, US-Sondergesandter für den israelisch-palästinensischen
       Friedensprozess, glaubt, dass US-Außenminister John Kerry in einigen Wochen
       sein Papier für den Friedensprozess auf den Tisch legen wird. Je näher der
       Termin rückt, desto nervöser wird der Ton auf beiden Seiten.
       
       Entscheidend ist für alle Parteien, Zeit zu gewinnen. Das anfängliche Ziel
       einer Einigung bis April 2014 war zu hoch gesteckt. Auch jetzt verlangt
       Kerry aus Sorge, der Prozess könne darüber platzen, keiner Seite die volle
       Zustimmung ab. Dennoch soll sein Papier Grundlage für den weiteren Dialog
       sein.
       
       Vermutlich, um im Vorfeld der Veröffentlichung Reaktionen einzuholen, ließ
       Indyk, der Kerry bei seinen Vermittlungsbemühungen zur Seite steht, einige
       Punkte des Rahmenplans durchsickern. Besonders empfindlich dürften die
       Israelis darauf reagieren, dass dort Jerusalem als palästinensische
       Hauptstadt sowie die Grenzen von 1967 festgehalten sind. Die Palästinenser
       sind umgekehrt zur Flexibilität aufgefordert, wenn es um die Definition
       Israels als jüdischer Staat geht, um ein Ende des Konflikts und keine
       weiteren Ansprüche von Seiten der Flüchtlinge.
       
       Niemand will die Verantwortung für ein Scheitern der Verhandlungen tragen.
       In Israel macht sich schon das Gefühl breit, dass man selbst am Ende den
       Schwarzen Peter in der Hand halten werde. Am Wochenende in München sprach
       Kerry von einer wachsenden Zahl europäischer Firmen, die die Kooperation
       mit israelischen Unternehmen einschränken würden, wenn diese wiederum
       Geschäfte mit den Siedlungen machten.
       
       Geheimdienstminister Juval Steinitz empfand Kerrys Warnung als „unfair und
       unerträglich“, während der nationalreligiöse Wirtschaftsminister Naftali
       Bennett polemisierte, dass „nicht eine Milliarde Dollar das Kind wieder
       lebendig machen kann, das von einer palästinensischen Rakete getötet
       wurde“.
       
       Dabei sprach Kerry nur aus, was längst passiert. Die Danske Bank, Dänemarks
       größte Bank, zog jüngst Investitionen in die Bank Hapoalim und zwei andere
       israelische Unternehmen zurück. Der niederländische Pensionsfond PGGM hatte
       schon vorher angekündigt, die Investitionen in israelische Banken zu
       stoppen, die Filialen in den Siedlungen unterhalten, und auch das
       norwegische Finanzministerium verweigert mit gleicher Begründung zwei
       israelischen Firmen die weitere Zusammenarbeit. Schon warnte Finanzminister
       Jair Lapid vom drohenden Verlust Tausender Arbeitsplätze.
       
       ## Alles oder nichts
       
       „Die USA werden Israel nicht zur Seite stehen“, schreibt der Analyst
       Schimon Schiffer in der Tageszeitung [1][Yediot Achronot], sollte die EU
       Israel für das Scheitern des Friedensprozesses verantwortlich machen und
       „die Initiative mit aller Energie wiederaufnehmen“, um die Produkte aus den
       Siedlungen [2][zu boykottieren]. Jahrelang unternahm die EU nichts, wenn
       die Regierung in Jerusalem den Siedlungsbau im Westjordanland vorantrieb.
       Mit Beginn der Mission Kerrys geht es jetzt aber um alles oder nichts. Der
       Chefdiplomat aus Washington zieht vor Ort sämtliche Register und
       mobilisiert im Ausland jede nur mögliche Hilfe.
       
       Die Israelis schimpfen gegen „zweierlei Maß“, da sie augenscheinlich
       diejenigen sind, denen der größere Preis abverlangt wird. Aber auch die
       Palästinenser sehen sich deutlich stärkerem Druck ausgesetzt. Washington
       und Europa signalisieren, Präsident Mahmud Abbas solle sich der westlichen
       Unterstützung nur nicht zu sicher sein, sollte er Plan B vorziehen und den
       unilateralen Weg via UNO und Internationalem Gerichtshof einschlagen, statt
       den Verhandlungen eine Chance zu geben.
       
       Unter Kerrys Stab drängen Jordanien und Saudi-Arabien Abbas zu mehr
       Flexibilität. Kompromissbereitschaft signalisierte dieser in einem
       Interview mit der [3][New York Times] hinsichtlich einer auf fünf Jahre
       begrenzten fortgesetzten israelischen Truppenpräsenz im Westjordanland –
       vorausgesetzt, dass parallel Nato-Truppen stationiert werden. Die wiederum
       könnten seinetwegen unbegrenzt bleiben.
       
       4 Feb 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4483747,00.html
   DIR [2] /Israel-fuerchtet-Boykottwelle/!132194/
   DIR [3] http://www.nytimes.com/2014/02/03/world/middleeast/palestinian-leader-seeks-nato-force-in-future-state.html?hpw&rref=world
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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