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       # taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Staat außer Kontrolle
       
       > Die neue Übergangsregierung hat die Zentralafrikanische Republik nicht
       > stabilisiert. Niemand hat die Milizen im Griff, selbst die eigenen
       > Anführer nicht.
       
   IMG Bild: Mitgenommen: Plünderer decken das Dach einer Moschee in Bangui ab.
       
       Zwei Jugendliche haben ein Sofa ergattert, andere schleppen Sessel,
       Holzplanken, Wellblech davon. Immer mehr junge Männer schließen sich den
       Plünderern an. Dann ertönen Schüsse aus dem Innern des Hauses. Einige der
       Neuankömmlinge stieben davon. Die anderen machen ungestört weiter.
       
       Im Bangui dieser Tage sind Szenen wie diese Normalität. Überall in der
       Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik wird geplündert, geraubt,
       geschossen, gemordet.
       
       „Schauen Sie sich an, wie wir unser Land ruinieren“, sagt Narzisse Bozangé,
       ein Nachbar, der vor Wut und Hilflosigkeit zittert. „Wir haben zu fünft
       versucht, das Haus zu bewachen. Aber sie sind bestimmt fünfzig und
       bewaffnet.“ Dabei gehöre das Haus „noch nicht einmal“ einem Muslim, wie
       Bozangé es formuliert, sondern sei lediglich an einen General der
       ehemaligen Rebellengruppe Séléka vermietet gewesen. Der General sei längst
       geflohen. Seitdem stand das Haus leer.
       
       Nach Angaben des Roten Kreuzes vom Wochenende wurden allein in Bangui
       innerhalb von vier Tagen 43 Menschen getötet; 71 wurden verletzt. Längst
       nicht mehr verlaufen die gewalttätigen Auseinandersetzungen in dem
       Krisenstaat entlang der Religionsgrenzen wie zunächst nach dem Putsch der
       überwiegend muslimischen Rebellenkoalition Séléka im März 2013.
       
       Putschistenführer Michel Djotodia wurde zum Übergangspräsidenten ernannt
       und übernahm die Macht in dem mehrheitlich christlichen Land. Die Rebellen
       begingen schwere Kriegsverbrechen an der christlichen Bevölkerung, die
       ihrerseits bewaffnete Gruppen bildete. Unter dem Namen „Anti-Balaka“ –
       „Gegen die Macheten“ – fanden sich lokale Milizen, Deserteure der Armee und
       Banditen zusammen, die seither Verbrechen an Muslimen begehen.
       
       Der vom Ausland erzwungene Rücktritt Djotodias am 10.Januar dieses Jahres
       und die Wahl der neuen Übergangspräsidenten Catherine Samba-Panza zehn Tage
       später gaben Anlass zur Hoffnung. Die aber ist nach wenigen Tagen schon
       wieder verflogen. In der Hauptstadt nimmt die Gewalt wieder zu.
       
       ## „Signale stehen auf Rot“
       
       „Was hier passiert, ist schockierend, verstörend, furchtbar – alles, was
       Sie sich vorstellen können“, sagt Abdu Dieng, Koordinator der UN-Hilfswerke
       in der Zentralafrikanischen Republik. Der Staat existiert nicht mehr, die
       Menschen sind sich selbst überlassen. Sie haben nichts zu essen, keinen
       Zugang zu medizinischer Hilfe und kein sauberes Trinkwasser. Nach
       UN-Angaben sind 2,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen – mehr als die
       Hälfte der Bevölkerung. „Alle Signale stehen auf Rot“, warnt Dieng.
       
       Von der [1][neuen Regierung, die vergangene Woche ernannt wurde], ist
       bislang wenig Konkretes zu hören. Drei der Minister stehen der aufgelösten
       Séléka nahe, einer den Anti-Balaka. Gegenüber lokalen Radiosendern
       erklärten etliche Bewohner Banguis ihre Enttäuschung darüber, dass
       Vertreter oder Vertraute der bewaffneten Gruppen mit politischen Posten
       belohnt werden.
       
       Die geben sich indessen betont kooperativ. „Wir sollten jetzt nur noch das
       Wohl der Nation im Auge haben“, meint Heribert Gotran Djono-Ahaba, einst
       ein enger Vertrauter von Djotodia und neuer Minister für Jugend und
       öffentliche Aufgaben. Was die Arbeit der neuen Regierung angeht, bleibt er
       denkbar vage: „Wir werden uns bald mit der Präsidentin zusammensetzen, um
       den Anfang einer Lösung zu suchen.“
       
       Kooperativ geben sich auch die Vertreter der beiden bewaffneten Gruppen.
       „Wir akzeptieren die neue Regierung“, sagt Juma Narkuyu, ehemals Sprecher
       der offiziell aufgelösten Séléka. „Wir warten nur noch auf den Beginn eines
       Entwaffnungsprogramms, um in die Armee oder ins zivile Leben zurückkehren
       zu können.“ Auf Nachfrage räumt Narkuyu ein, dass die militärischen
       „Profis“ in der Séléka längst nicht alle Kräfte kontrollieren, die als
       Freischärler oder Banditen im Namen der Rebellen morden und plündern.
       
       Dass auch die Anti-Balaka derzeit alles andere tun, als das Land zu
       stabilisieren, gibt Alfred Rombhot zögerlich zu, Kommandant der Anti-Balaka
       in einem Stadtteil Banguis. Die Plünderer und Mörder operierten auf andere
       Rechnung.
       
       Am ehrlichsten ist womöglich die Einschätzung der neuen
       Übergangspräsidentin: Samba- Panza bat am Dienstag um die Entsendung einer
       10.000-köpfigen UN-Blauhelmmission. Die Lage, so Samba-Panza, gerate immer
       mehr außer Kontrolle.
       
       4 Feb 2014
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Rühl
       
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