# taz.de -- sonntaz-Streit zu Eltern-Arbeitszeit: „Keine starren Vorgaben“
> Viele Arbeitmehmer wollen reduzierte Arbeitszeiten für Eltern.
> Unterstützung kommt von Parteien, doch die Wirtschaft möchte das lieber
> individuell regeln.
IMG Bild: 30-Stunden-Woche: Endlich wieder Zeit fürs gemeinsame Angeln.
Die deutsche Wirtschaft stellt sich gegen eine gesetzlich festgelegte
30-Stunden-Woche für Eltern und plädiert dagegen für flexible
Vereinbarungen innerhalb der Unternehmen. „Die betriebliche Realität ist
heutzutage von variablen Arbeitszeitregelungen geprägt und bedarf keiner
starren Vorgabe“, schreibt Michael König, Vorstandsmitglied und
Arbeitsdirektor der Bayer AG, in der taz.am wochenende vom 1./2. Februar.
„Warum soll gesetzlich etwas geregelt werden, was ohnehin schon gelebte
Praxis in den Unternehmen ist?“ fragt Lutz Goebel, Präsident des Verbandes
Die Familienunternehmer: „79 Prozent der Familienunternehmen bieten ihren
Mitarbeitern heute bereits Teilzeit an, 32 Prozent Home Office und neun
Prozent Jobsharing“.
Laut Goebel reiche die Gesetzeslage aus: Arbeitgeber und Arbeitnehmer
brauchten keine Vorgaben von der Politik, wer wieviele Stunden arbeitet,
weil das in jedem Familienunternehmer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
individuell geklärt werden könne.
Die Debatte über familienfreundliche Arbeitsmodelle ist diese Woche neu
entfacht. Laut einer Beschäftigtenbefragung der IG Metall würden viele
Eltern gerne einen Tag weniger in der Woche arbeiten. „Auffällig ist der
deutliche Wunsch nach leicht abgesenkten Arbeitszeiten von 30 Stunden in
der Woche, nach reduzierter Vollzeit“, sagte der stellvertretende
Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, der "Welt". Anfang Januar hatte
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig eine 32-Stunden-Woche für Eltern
vorgeschlagen, blitzte jedoch bei Bundeskanzlerin Merkel ab.
## Arbeitszeitverkürzung ist finanzierbar
Die Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, Katja Kipping, spricht sich für
familienfreundlichere Arbeitszeiten aus. „Wir brauchen Modelle, die sich
den Lebensphasen der Beschäftigten anpassen - zum Beispiel eine
30-Stunden-Woche für Eltern, Sabbatjahre oder die Möglichkeit zur
Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich für ältere Arbeitnehmer“,
schreibt sie.
„Nicht nur Eltern haben gute Gründe, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
Arbeitszeitverkürzung schafft auch mehr Raum sich politisch zu engagieren,
Eltern zu pflegen oder in Umweltinitiativen zu wirken“, fügt Kipping hinzu.
Eine solche Maßnahme „ist auch finanzierbar, wenn wir die großen Vermögen
und Einkommen angemessen besteuern“.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Porsche AG, Uwe Hück, beantwortet die
sonntaz-Frage nach der 30-Stunden-Woche für Eltern mit ja, betrachtet sie
aber als zu eng gefasst. „Es geht nicht um pauschale
Arbeitszeitverkürzungen, sondern um Arbeitszeiten insgesamt“, argumentiert
Hück. „Wir brauchen Antworten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
Zeitmodelle für Kinder oder Pflegezeiten sowie für Qualifizierung und
Weiterbildung“.
Die Unternehmen seien in der Pflicht, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu
ermöglichen, notiert die Bundesvorsitzende der Jusos, Johanna Uekermann.
Der Ausbau von Betreuungsplätzen sei ein wichtiger Schritt, aber es müsse
sich vor allem etwas in der Arbeitskultur ändern. „Wer kleine Kinder hat
und um 16 Uhr das Büro verlässt, darf nicht schräg angeschaut werden. Wir
brauchen eine breite Diskussion über die Verteilung von Arbeit und zur
Arbeitszeitverkürzung in unserer Gesellschaft!“.
## Für den DIHK ist der Vorschlag fehl am Platz
Für den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK),
Eric Schweitzer, seien dagegen neue gesetzliche Regelungen zu generell
kürzeren Arbeitszeiten für Eltern fehl am Platz in Zeiten, in denen immer
mehr Unternehmen händeringend Fachkräfte suchten und insbesondere Mütter
sich häufig stärker als bisher am Arbeitsmarkt einbringen möchten.
„Auch die Unternehmen haben im zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte ein
ureigenes Interesse daran, den Wünschen ihrer Beschäftigten soweit wie
möglich nachzukommen und sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren“,
gibt Schweitzer zu bedenken.
Laut Edith Schwab, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter
und Väter, habe hingegen den Vorschlag nach reduzierten Arbeitszeiten für
Familien „durchaus Charme“. „Alleinerziehende, die finanziell auf eigenen
Füßen stehen wollen, wird die Zeit mit ihren Kindern oft knapp. Reduziert
eine Alleinerziehende – zu 90 Prozent Frauen – jedoch ihre Arbeitszeit
zugunsten der Kinder, fehlt es oft an einem das Existenzminimum der Familie
deckenden Einkommen“, argumentiert Schwab.
Bei einer solchen flexiblen Familienarbeitszeit für Alleinerziehende seien
zwar viele Detailregelungen zu durchdenken und zu finden, wie zum Beispiel
angemessene Entlohnung oder ein Rückkehrrecht auf Vollzeit. Jedoch seien
„dies lösbare Fragen, so dass die Einführung einer Familienarbeitszeit
gerade für Alleinerziehende eine gute Zukunftsvision darstellt“.
Die Streitfrage beantworteten außerdem Jutta Allmendinger, Präsidentin des
Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Elke Hannack,
stellvertretende Vorsitzende des DGB, Mario Ohoven, Präsident des
Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Lencke Wischhusen,
Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer, Oliver Stettes,
Arbeitsmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und
taz-Leserin Chava Johanna Schaller – in der [1][taz.am wochenende vom 1./2.
Februar.]
1 Feb 2014
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DIR [1] /Ausgabe-vom-1/2-Februar-2014/!132075/
## AUTOREN
DIR Alessandro Alviani
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