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       # taz.de -- Kolumne Wutbürger: Yoga an der Supermarktkasse
       
       > Tief einatmen, tief ausatmen, wenn die EC-Karte so tut, als sei kein Geld
       > mehr auf dem Konto. Das kommt jetzt öfter vor und führt direkt ins
       > Nirvana.
       
   IMG Bild: Man kann seinen Ommm-Moment wie diese buddhistischen Mönche haben. Unser Autor findet ihn im Supermarkt.
       
       Das Nirvana ist der Ort, an dem wir in vollendetem Frieden mit uns selbst
       leben. Nichts bringt uns mehr aus der Ruhe. Über nichts müssen wir uns noch
       ärgern. Für mich ist dieses Ziel deshalb so attraktiv wie eine Bettenburg
       in Benidorm. Wo käme ich hin, wenn es nichts mehr gäbe, worüber ich mich
       lustvoll in Rage tippen könnte?
       
       Ich nehme es den deutschen Supermarktkassen deshalb besonders übel, dass
       sie uns bei jedem Bezahlvorgang mit EC-Karte der Seelenrettung ein Stück
       näher zu bringen versuchen. Das Nirvana erreicht nur, wer in der Lage ist,
       selbst im Moment größter Anspannung gelassen zu bleiben. Die
       Supermarktkasse ist seit einigen Monaten dafür ein besonderer
       Om-Gruppen-Übungsplatz: Andauernd akzeptiert das Lesegerät meine EC-Karte
       erst beim vierten Versuch.
       
       In den ersten Wochen blickte ich mich noch nervös um, in der Sorge, jemand
       könnte mich beobachten und denken, mein Konto sei so leer wie der Geist
       eines buddhistischen Schweigemönchs. Dann fragte ich irgendwann eine
       Kassiererin, warum die Karte denn immer ausgerechnet beim vierten Mal
       akzeptiert werde. Und bekam zur Antwort, dass das neuerdings regelmäßig
       passiere. Warum, könne sie auch nicht erklären.
       
       Seitdem stelle ich mich breitbeinig zum Yoga an der Supermarktkasse auf,
       bevor die Karte das erste Mal durch den Schlitz gezogen wird, atme
       anschließend tief ein und tief aus, tief ein und tief aus und lasse dabei
       im Geiste die Ingenieure von EC-Karten-Lesegeräten nacheinander über eine
       hundert Meter hohe Klippe ins Meer stürzen. Das kommt meinem Ideal vom
       Nirvana schon ziemlich nah.
       
       Natürlich habe ich versucht, der Ursache auf den Grund zu gehen. Ich rief
       bei der Pressestelle von VeriFone an, dem Hersteller des Teufelsgeräts
       H5000 aus meinem Supermarkt. Trotz mehrerer Anläufe gibt es bis heute keine
       Reaktion. Ich nehme an, eine Antwort erhalte ich erst beim vierten Versuch.
       
       1 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai Schächtele
       
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