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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ze doitche Lenguetsch
       
       > Anglizismen sind nicht jedermanns Tasse Tee. Zumal der englische
       > Playground im deutschen Garten auf immer seltsamere Art beackert wird.
       
   IMG Bild: Für manche deutschen Englischsprecher ist die Zunge das widerspenstigste Sprachwerkzeug.
       
       Es ist cool, trendy, hip und hot: Das Englische. Das Deutsche ist nicht
       angesagt, bringts einfach nicht, und es spitze, dufte oder knorke zu
       finden, wäre vollends old school. Selbst wenn es um Deutsches geht, ist das
       Deutsche out: Ein Regisseur dreht einen lokalpatriotischen Kinofilm, der in
       seiner Heimatstadt Hannover spielt, und tauft ihn „Playground: Love“.
       
       Ein Bühnenautor schreibt ein Stück über ein deutsches Zuhause und
       überschreibt es „Oh, its like home“. Eine urdeutsche Figur wie der Doktor
       Eisenbarth, in seinem Sterbeort Hannoversch Münden bislang Hauptfigur eines
       Volkstheaterschwanks, wird neuerdings in einem Schauspiel des Titels „What
       a Man“ auf die Bühne gebracht.
       
       Folglich muss eine Anthologie deutschsprachiger Autoren, die sich mit den
       Grimmschen Märchen beschäftigt haben, „The Secret Grimm Files“ im Titel
       führen, während auf der „Berlin Art Week“ die ausweislich ihrer Namen nicht
       allzu angelsächsischen Maler Thomas Scheibitz, Martin Eder und Franz
       Ackermann ihre Ausstellung „Painting Forever“ nennen.
       
       Es trifft nicht nur die Eingeborenen, sondern auch die Zugezogenen: Eine
       Göttinger Ausstellung über die lokale Geschichte der Einwanderung heißt
       „Movements of Migration“, und eine Schallplatte, die sich den nach
       Deutschland von Migranten mitgebrachten Musiktraditionen widmet, trägt den
       Titel „New German Ethnic Music“.
       
       ## „Eavesdropper with a Scolding Woman“
       
       Eingestandermaßen ist der Einfluss der englischen Sprache und der
       angelsächsischen Kultur auf jede Kultur und Sprache unmöglich zu
       ignorieren. Je englischer beziehungsweise US-amerikanischer die Welt wird,
       desto mehr muss man sich angelsächsischer Worte und Begriffe bedienen, um
       die Welt angemessen zu beschreiben. Die menschliche Veranlagung als
       Herdentier führt indes dazu, dass sich neben nützlichen, unentbehrlichen
       und schönen Fremdworten aus Opportunismus, Angeberei oder Gedankenlosigkeit
       überflüssige und alberne Anglizismen verbreiten: „Deutschsprachige
       Reinigungskräfte in Herborn für Nightcleaning gesucht“, annoncierte jemand
       in der Dill-Zeitung. 
       
       Es muss hier, so altmodisch er klingt, der Begriff „Kulturimperialismus“
       ausgepackt werden. Der macht sich schon im Kleinen bemerkbar, wenn der
       Spiegel mit "New York City" die US-amerikanische Sichtweise übernimmt,
       obwohl die Stadt im Deutschen schlicht New York heißt (und beim Bundesstaat
       spricht man vom "Staat New York"); ähnlich verhält es sich mit „Mexico
       City“ statt "Mexiko-Stadt".
       
       Grotesker wird es, wenn die taz einem Gemälde des Holländers Nicolaes Maes
       von 1655 den Titel verpasst: „Eavesdropper with a Scolding Woman“.
       taz-Leser wissen natürlich, dass der "Eavesdropper" eine Lauscherin ist und
       „scolding“ „schimpfend“ bedeutet. Nur der Autor wusste es nicht und pinnte
       die Unterschrift aus dem Internet ab.
       
       ## „Culture City of Europe“
       
       Verrückt wird es, wenn im Eulenspiegel die einstige Hauptstadt der
       deutschen Literatur sich „Culture City of Europe“ nennt, Reklame für ihren
       "Weimar Christmas Market" macht und ihn den deutschen Lesern als
       "traditional, authentic, familiar, atmospheric" anpreist.
       
       Dass der Globus im Zeitalter der Globalisierung global wird, ist eine
       Binsenweisheit. Dass die Welt groß und die angelsächsische nur ein kleiner
       Teil von ihr ist, schon weniger. Leute, die weltoffen sind und
       international denken, sollte es merkwürdig berühren, dass Fremdwörter aus
       anderen Sprachen kaum Eingang ins Deutsche finden. Das Englische ist mit
       seiner Schubkraft von Ökonomie und Politik selbstverständlich mächtiger als
       alle anderen. Dabei reicht sein Einfluss inzwischen tief und verändert
       stellenweise die Phonetik des Deutschen.
       
       So gibt es englische Worte, die vor Jahrzehnten die deutsche
       Staatsbürgerschaft angenommen haben, mittlerweile jedoch gern englisch
       ausgesprochen werden: Aus Doping wird Douhping, das Baby zum Bäiby, wobei
       letztere Form bisher der Geliebten, dem Schatz vorbehalten war. Wer
       sensible Ohren hat, konstatiert also, dass der Säugling sexualisiert wird;
       ein netter Beitrag zur Pädophiliedebatte.
       
       Auf Eins Festival wiederum spricht eine Ansagerin das lateinisch-deutsche
       "versus" englisch aus; im Göttinger Tageblatt werden zwei Sachbuchautoren
       interviewt, die gestehen, dass sie zu Beginn uneins waren und sich
       gekabbelt, nein: "gekäbbelt" haben; und ein taz-Autor schreibt von
       „Twistigkeiten“, weil er die deutschen „Zwistigkeiten“ nicht mehr kennt.
       Dafür kennt ein anderer taz-Schreiber ein flottes Wort und haut es gleich
       in seinen Artikel über die Geschichte der Konservendose rein: „Erfunden
       wurde die Konservendose im Zuge eines Pitches von Napoleon Bonaparte, der
       eine stattliche Summe für das Haltbarmachen von Lebensmitteln für seine
       Soldaten ausschrieb.“ Da hat der Verfasser wohl selbst einen ziemlichen
       Pitch weg.
       
       31 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Köhler
       
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