URI: 
       # taz.de -- Eurokolumne: Robin-Hood-Idee der Bundesbank
       
       > Die Reichen sollen für die Krise zahlen, fordert die Bundesbank. Doch
       > ohne die Wirtschaft anzukurbeln, sei bei ihnen nichts zu holen.
       
   IMG Bild: Griechische Immobilien sind wertlos. Keiner möchte sie kaufen.
       
       Die Idee klingt gut: Man könnte doch die Vermögenden schröpfen! Wenn ein
       Eurostaat in die Krise gerät, sollen die Wohlhabenden des betroffenen
       Landes zahlen, bevor die restliche Eurozone einspringt. Der Vorschlag
       stammt ausgerechnet von der Bundesbank, die bisher nicht dafür bekannt war,
       sich wie Robin Hood aufzuführen und die Reichen zu belasten.
       
       Es ist tatsächlich ein Ärgernis, dass griechische Milliardäre ihr Geld ins
       Ausland schaffen, während der Rest Europas dafür aufkommt, dass
       Griechenland nicht in die Pleite treibt. Insofern rennt die Bundesbank die
       berühmten offenen Türen ein, wenn sie fordert, dass die Reichen zahlen
       sollen.
       
       Die interessante Frage bleibt jedoch ausgespart: Wie viel würde es bringen,
       die Vermögenden zur Kasse zu bitten? „Vermögen“ ist nämlich keine statische
       Größe, die immer gleich bleibt. Stattdessen kann Vermögen verschwinden,
       selbst wenn seine Reste noch sichtbar sind.
       
       Die Votalität des Vermögens kann man bestens bei Immobilien studieren. Fast
       jeder Grieche besitzt ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung – aber sie
       sind fast wertlos. Mitten in der Wirtschaftskrise ist es nicht möglich, die
       Immobilien zu verkaufen – weil niemand sie haben will. Die Immobilien sind
       nur noch eine Naturalie: Man kann in ihnen wohnen und muss nicht auf der
       Straße schlafen. Aber Staatsschulden lassen sich damit nicht zurückzahlen.
       
       ## Immobilien und Firmen in Griechenland sind nichts mehr wert
       
       Der gleiche Effekt ist bei Fabriken festzustellen: Die meisten griechischen
       Unternehmen sind fast wertlos, weil ihre Umsätze eingebrochen sind. Die
       Wirtschaftsleistung des Landes ist in den vergangenen Jahren um 25 Prozent
       gesunken. Da ist es kaum sinnvoll, Firmen höher zu besteuern – oder gar mit
       einer Vermögensabgabe zu belasten.
       
       Vermögen verschwindet, wenn die Wirtschaft schrumpft. Diese Erfahrung
       musste auch die internationale Gemeinschaft machen. Ursprünglich hatte sie
       gehofft, dass der griechische Staat sich weitgehend selbst retten kann,
       weil er viele Immobilien, Hafenanlagen und Firmen besitzt. 50 Milliarden
       Euro sollte die Privatisierung dieser „Vermögenswerte“ bringen. Tatsächlich
       sind bisher nicht einmal zwei Milliarden zusammen gekommen. Es finden sich
       kaum Investoren, die in Griechenland einsteigen wollen.
       
       ## Griechenlands Reiche zu besteuern wäre nur eine symbolische Geste
       
       Interessant ist daher nur ein einziger Posten: griechisches Fluchtgeld, das
       auf ausländischen Konten lagert. Aber bei näherer Betrachtung kommt auch
       dort nicht viel zusammen. Als reichster Grieche gilt der Reeder und Bankier
       Spiro Latsis, den Forbes auf 4,8 Milliarden Dollar schätzt. Hinzu kommen
       ein paar griechische Milliardäre, die knapp an der Ein-Milliarden-Grenze
       entlang schrammen. Insgesamt besitzen 505 Griechen laut einer Statistik der
       Schweizer Bank UBS jeweils mehr als 30 Millionen Dollar. Es spricht
       natürlich nichts dagegen, die Millionäre ordentlich zu besteuern. Aber mehr
       als etwa eine Milliarde Euro wird das nicht bringen, zumal ja niemand davon
       redet, die griechische Oberschicht komplett zu enteignen.
       
       Eine Milliarde Euro sind nicht Nichts, sie wären auch ein wichtiges Symbol,
       dass es gerecht zugeht. Aber die griechische Krise wäre damit nicht
       beseitigt: Die griechischen Staatsschulden belaufen sich momentan auf etwa
       330 Milliarden Euro.
       
       Die Bundesbank begeht mit ihrem Vorstoß einen klassischen Fehler: Sie hält
       das Vermögen für gegeben und ignoriert die jährliche Wirtschaftsleistung.
       Dabei ist es genau anders herum. Nur wenn die Wirtschaft wieder wächst,
       können die Griechen ihre Schulden bedienen. Es spricht nichts gegen eine
       Vermögensabgabe – aber vor allem benötigen die Griechen ein
       Konjunkturprogramm.
       
       30 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Euro-Krise
   DIR Bundesbank
   DIR Griechenland
   DIR Steuergelder
   DIR Eurokrise
   DIR Exportüberschuss
   DIR Eurokolumne
   DIR Europa
   DIR Eurokolumne
   DIR Milliardär
   DIR Euro-Krise
   DIR Eurokrise
   DIR Eurokolumne
   DIR EU-Finanzpolitik
   DIR EU-Finanzpolitik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Eurokolumne: Die Ebbe und die Niedrig-Inflation
       
       Was wenig Geldentwertung und wenig Wasser gemein haben. Und warum sich so
       an der Flaute in Euroland wenig ändern wird.
       
   DIR Eurokolumne: Die Ökonomie des Verschenkens
       
       Der deutsche Exportüberschuss wird heftig kritisiert. Hierzulande wehrt man
       sich – doch das Außenhandelsplus ist auch für uns schlecht.
       
   DIR Eurokolumne: Tückische Exportstärke
       
       Nicht nur die EU rüffelt Deutschland für den gigantischen
       Außenhandelsüberschuss. Dabei könnten von einer Korrektur alle profitieren.
       
   DIR Eurokolumne: Europa der zwei Geschwindigkeiten
       
       Die Eurozone muss schneller zusammenwachsen als der Rest der EU, fordern
       zwei Thinktanks. Kann so die Krise beendet werden?
       
   DIR Eurokolumne: Wilder Westen auf dem Finanzmarkt
       
       Der Bankensektor wurde inzwischen mit leichten Regulierungen belegt. Um
       diesen zu entgehen, gründen sich die ominösen Schattenbanken.
       
   DIR Milliardäre der Welt: Reich, reicher, Gates
       
       Ihre Wirtschaftsleistung übersteigt die von Japan: 1867 Dollar-Milliardäre
       gibt es weltweit. Wer einen in Deutschland sucht, hat in Hamburg gute
       Chancen.
       
   DIR Eurokolumne: Rein oder raus?
       
       Europa bekommt seit fünf Jahren die Folgen der Finanzkrise nicht in den
       Griff. Die Diskussionen darüber sind allesamt vergiftet.
       
   DIR Eurokolumne: Banger Blick nach Karlsruhe
       
       Sparpakete und Reformen haben bis jetzt wenig geholfen: Die einzige
       funktionierende Institution in der Eurokrise ist die EZB.
       
   DIR Eurokolumne: Politik statt starrer Regeln
       
       Die Lösungen der EU für die Eurokrise sind zutiefst undemokratisch. Dagegen
       helfen nur Technokraten und demokratische Regeln.
       
   DIR Eurokolumne: Bitte nicht mehr Hurra!
       
       Kein Grund zur Euphorie: Hinter Meldungen zum Wirtschaftswachstum steht
       häufig eine Absicht. Zum Beispiel: Lohnkürzungen rechtfertigen.
       
   DIR Eurokolumne: Einrichten in der Postdemokratie
       
       Die Augen-zu-Strategie funktioniert nicht: Die EU-Politiker sollten endlich
       offen über Griechenlands Krise sprechen und dem Land mehr Hilfe zusagen.