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       # taz.de -- Stellenabbau in Solarindustrie: Voll der Schatten
       
       > Alle Welt entdeckt die Solarenergie, nur die Deutschen vergessen sie
       > wieder. Das ist industriepolitisch so sinnvoll wie Ananas am Nordpol.
       
   IMG Bild: Solarfarm in der alten chinesichen Oasenstadt Dunhuang, mitten in der Wüste Gobi.
       
       BERLIN taz | Ach übrigens, es bricht gerade die solare Revolution aus. In
       China und den USA und in Südamerika und Indien und Brasilien, eben überall
       auf der Welt, nur: Im Energiewendeland Deutschland bekommt das keiner mit.
       Wollten wir nicht mal Weltmarktführer sein, als leuchtendes Vorbild eine
       neue, grüne Leid-, sorry Leitindustrie entwickeln?
       
       Kürzlich schrieb die Deutsche Bank in einer Analyse, sie sehe ein „goldenes
       Zeitalter“ der Solarindustrie anbrechen. Das Zeug ist einfach so billig
       geworden, dass es in absehbarer Zeit überall gekauft wird. Unabhängig
       davon, was sich Bundesregierungen und Sigmar Gabriel so ausdenken.
       
       China beispielsweise exportiert nicht mehr die internationale Konkurrenz
       mit billigen Sonnenmodulen kaputt, sondern stellt sie daheim auf: Viermal
       mehr als in Deutschland ist in China 2013 hinzugekommen, 14 Gigawatt. Die
       Module liefern im Schnitt so viel Strom wie zwei Atomreaktoren (mal
       wesentlich mehr, nachts bekanntlich nichts). Die USA vermelden für das
       vergangene Jahr 23.000 neue Arbeitsplätzen in der Branche. Auch das
       Kollektiv der Anleger hat die Industrie neu entdeckt: Die Aktienkurse
       vieler Solarmodulhersteller haben sich 2013 vervielfacht.
       
       Dummerweise ist keine einzige deutsche Firma darunter. Das Statistische
       Bundesamt vermeldet stattdessen, dass bei den Solarmodulherstellern
       hierzulande seit Mitte 2011 mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze verloren
       gegangen ist. Allerdings liegt die meiste Wertschöpfung woanders, im
       Handwerk etwa oder bei den Zulieferern der ganzen Elektronik, die eine
       Solaranlage erst komplett macht. Dort auch hier gingen Zehntausende Jobs
       verloren. Deutschland, einst die Leitkuh der Solartechnik, hat seinen
       Vorsprung in dieser Schlüsselbranche des 21. Jahrhundert versemmelt.
       
       ## Subventionswahnsinn vs Solarfraktion
       
       Das hat zwei Gründe, die an dieser Stelle archetypisch FAZ und taz heißen
       sollen. Ja, genau, so wie Frankfurter Allgemeine Zeitung und die
       tageszeitung. FAZ ist die Ananas-Fraktion, angelehnt an den Ausspruch des
       ehemaligen RWE-Chefs Jürgen Grossmann, der befand, Solarenergie in
       Deutschland sei so sinnvoll wie eine Ananaszucht am Nordpol.
       
       Solarenergie war für FAZ von jeher Subventionswahnsinn, eine Technik ohne
       Zukunft, ein leeres grünes Versprechen. Das quillt heute noch aus jeder
       Seite. Da wird beispielsweise der Jobrückgang bei den
       Solarmodulherstellern, tatsächlich von jeher nur ein kleiner Teil der
       Arbeitsplätze in der Branche, gleich zur Schlagzeile: „Jede dritte Stelle
       in der Solarindustrie weg“. Eine leichte Überinterpretation, hinter der
       auch ein klein wenig Häme steckt. So ein: War doch klar.
       
       taz dagegen ist die messianische Solarfraktion. Es gehörte zu einem netten
       Ritual: Wenn die Bundesregierung die Vergütung für die Solarenergie kürzte,
       heulte taz laut auf. Energiewende war dann regelmäßig am Ende. Auch zu
       Zeiten, als längst klar war, dass der deutsche Markt zur Abraumhalde für
       die globale Überproduktion an Solarmodulen geworden ist. Als längst klar
       war, dass Deutschland Solarstrom genau dann errichtet, wenn er noch richtig
       teuer ist. Legendär, wie Jürgen Trittin die Milliardenförderung in
       Cappuccinos pro Bundesbürger billigrechnete.
       
       Ihr habt schon Milliarden erhalten: Mit dieser Hypothek muss die Branche
       nun leben. Aber man muss kein Öko sein, um zu sehen, wie groß der globale
       Markt für Solarenergie ist. Es wäre fatal, ließe sich Deutschland das
       entgehen. In den Forschungseinrichtungen lagern Tausende von Patenten, es
       gibt noch eine Menge guter Unternehmen.
       
       Statt für Häme wäre es Zeit für eine ganz pragmatische Initiative, um die
       Solarbranche wieder aufzurichten.
       
       29 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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