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       # taz.de -- Arte-Doku über Außenseiter: Nacht der Sonderlinge
       
       > Geek oder Nerd – was ist das eigentlich? Die „Geek Night“ auf Arte
       > verkündet den Vormarsch der Underdogs – erklärt das Phänomen allerdings
       > nicht.
       
   IMG Bild: Achtung, hier kommt die Armee der Geeks und Nerds angerollt.
       
       BERLIN taz | Ein bisschen Krieg der Sterne, ein bisschen Herr der Ringe,
       Spielkonsole in der Ecke, Animé-Poster an der Wand und sorgfältig gelagerte
       Comic-Originale im Regal: Irgendwo hier hat er sein natürliches Habitat,
       dieser „Geek“, dem Arte am Samstag ein paar Stunden Programm widmet.
       Moment, Gee-was?
       
       „La revanche des geeks“ ist der ursprüngliche Titel der Doku „Nerd-Alarm!“
       (ab 0.20 Uhr), produziert bereits im Jahr 2011 von Arte Frankreich und nun
       so etwas wie das Herzstück des Themenabends.
       
       Was ein „geek“ ist und was ein „nerd“, beides dem amerikanischen Englisch
       entlehnt, und dass diese beiden zwar verwandt sind, aber nicht dasselbe:
       Dieses Wissen muss das Publikum mitbringen. Erklärt bekommt es das vom
       Kultursender seines Vertrauens nur so irgendwie.
       
       Es scheinen irgendwie Science-Fiction- oder Fantasy-Fans zu sein, Brillen
       tragende Computertypen mit schlechter Haut. Mädchen? Die gibt’s offenbar
       kaum in dieser Welt zwischen Rollenspielrunde und Informatik-AG, die hier
       weniger erklärt wird als vorgeführt. So weit, so unscharf.
       
       Dabei geht Arte seine „Geek Night“ mit einer interessanten Behauptung an:
       Die Underdogs von einst, die von den Sportskanonen verspotteten
       Schulhof-Loser mit den merkwürdigen Hobbys, sie seien „auf dem Vormarsch“,
       lässt der Sender ausrichten, hätten sich zu einer „erfolgreichen Gattung
       gemausert“.
       
       ## Die Revanche der Geeks
       
       Wie zum Beweis sind in der Doku „Nerd-Alarm!“ auch Microsoft-Gründer Bill
       Gates und Apple-Ikone Steve Jobs zu sehen: Stellvertreter einer ganzen
       Generation von ehemaligen Sonderlingen, für deren Erfindungen und Gadgets
       inzwischen auch die Sportskanonen Schlange stehen. Das wäre dann also der
       späte Sieg, die Revanche der Geeks.
       
       Eröffnet wird die „Geek Night“ um 20 Uhr mit einer ebenfalls schon älteren
       Dokumentation, ja Belobhudlung des „Kriegs der Sterne“ -Universums: „Star
       Wars – die Saga“ war für Regisseur Kevin Burns schon die zweite Befassung
       mit jenem so einflussreichen Sci-Fi-Kosmos.
       
       Wie aus einer in die Zukunft verlegten Heldenreisen-Variation, 1977 in die
       Kinos gekommen, ein derart Popkultur prägendes Merchandising-Wunder wurde,
       deutet der Film mehr an, als dass er es erklärte – dabei wäre ja gerade
       eine genauere Beschäftigung mit dem Fantum, mit all den Spielfiguren und
       Raumschiffmodellen, Comic- und Computerspiel-Adaptionen das Scharnier zum
       Thema des Abends gewesen.
       
       So bleibt es bei einem Gedanken, den die New Yorker Kunst-Professorin Joan
       Breton Connelly formuliert: Hat nicht derjenige, der über „Star Wars“
       nachdenkt und seine Interpretationen anstellt, Teil am Erschaffen des
       Mythos, an der Dichtung?
       
       ## Sonderlinge als Gegenstand des Amüsements
       
       Wäre die Welt der Senderechte und TV-Lizenzen eine andere, Arte hätte
       vielleicht ein paar Folgen von „The Big Bang Theory“ zeigen können: Die
       Sitcom, deren jüngste Staffel gerade bei Pro 7 anlief, ist insofern ein
       Beleg für den Aufstieg der Nerds und Geeks, als sie darin nicht mehr nur
       Nebenfiguren und Spottobjekte sind, sondern das tragende Personal stellen.
       
       „The Big Bang Theory“ taucht nun nur ganz kurz auf in „Nerd-Alarm!“,
       immerhin verbunden mit der interessanten Frage, ob der immense Erfolg der
       Serie nicht damit zu tun hat, dass die meisten Zuschauer eben doch über die
       Hauptfiguren lachen, nicht mit ihnen.
       
       Ob die Sonderlinge mit dem hohen IQ und dem skurrilen Mangel an sozialer
       Kompetenz, ob Nerds und Geeks nun aber mehr als bloßer Gegenstand von
       Amüsement sind – darüber scheinen sich auch die Programmmacher bei Arte
       nicht ganz sicher zu sein.
       
       25 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
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