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       # taz.de -- Öl-Zug-Unglücke in den USA: Gefährliche Rohstofftransporte
       
       > Ein Öl-Tank-Zug hängt in Philadelphia am Rand einer Brücke. Noch ist kein
       > Öl ausgelaufen. Die Unglücke bei Rohstofftransporten häufen sich.
       
   IMG Bild: Erst Ende Dezember war ein Zug mit Öl in der Nähe von Casselton in North Dakota entgleist.
       
       WASHINGTON taz | Philadelphia, die zweitgrößte Stadt an der Ostküste, ist
       haarscharf einer Ölkatastrophe entkommen. Auf einer Eisenbahnbrücke über
       den Fluss Schuylkill ist am Montag mitten im Stadtteil Grays Ferry der
       hintere Teil eines Öl-Tank-Zugs entgleist. Mehrere Waggons klemmten am
       Dienstagabend immer noch in einer prekären Position am Rand der Brücke über
       dem Wasser. Rettungsarbeiter versuchen, sie von einem Kran aus zu bergen.
       
       Bis zum Mittwochabend war in Philadelphia kein Öl aus den Tankwagen
       ausgetreten. AnwohnerInnen in dem dicht besiedelten Gebiet sprechen von
       einem „Wunder“, dass ihre Häuser und ihr Leben verschont geblieben sind.
       Denn bei mehreren Öl-Zug-Unglücken in den USA und Kanada ist es in den
       vergangenen Wochen und Monaten zu Großbränden gekommen.
       
       Im Juli kamen 47 Menschen im kanadischen Ort Mégantic ums Leben, als ein
       Ölzug entgleiste und sich entzündete. In Alabama im November und am 30.
       Dezember in North Dakota kam es bei Unglücken von Ölzügen zu Großfeuern,
       und ganze Ortschaften mussten evakuiert werden.
       
       In Philadelphia hat der Stadtrat der 1,5-Millionen-Stadt Anhörungen über
       das Eisenbahnunternehmen CSX angekündigt. Unter anderem soll es dabei um
       die „mangelnde Transparenz bei CSX“ sowie um unzureichende Wartung der
       Eisenbahngleise und -brücke gehen. Die wenige Kilometer vom Unglücksort
       entfernte Raffinerie Philadelphia Energy Solutions, für die der entgleiste
       Ölzug bestimmt war, funktioniert ungestört weiter. Sie wird verstärkt über
       eine andere Zugstrecke und auf dem Wasserweg mit Rohöl beliefert.
       
       Das Öl in sämtlichen verunglückten Ölzügen der letzten Zeit stammt aus dem
       Boom-Staat North Dakota. Der an der kanadischen Grenze gelegene Bundesstaat
       ist binnen weniger Jahre von einem hauptsächlich Getreide- und
       Viehproduzenten zum zweiten Ölförderstaat der USA, direkt nach Texas,
       geworden. Der Staat verkörpert die Hoffnung der USA, zum Hauptölförderland
       weltweit zu werden – mithilfe des umstrittenen Frackings aus der
       Gesteinsformation Bakken. Das Problem: Das Bakken-Öl ist entzündlicher als
       die meisten anderen Rohöle.
       
       ## Kaum staatliche Kontrollen
       
       Züge mit mehr als hundert Öltankwaggons wie jener, der in Philadelphia
       entgleist ist, durchqueren Nordamerika in alle Himmelsrichtungen. Sie
       fahren durch Innenstädte und über ländliche Gebiete. Und sie sind – trotz
       der exponentiellen Entwicklung im Öltransport – kaum staatlich
       kontrolliert. Unter anderem sitzt in den Führerhäuschen der oft mehr als
       1,5 Kilometer langen Ölzüge meist nur noch ein einziger Fahrer.
       
       Die Züge transportieren das Öl aus North Dakota und aus dem
       Teersand-Abbaugebiet im kanadischen Alberta zu den Raffinerien längs der
       Ostküste des Kontinents sowie in Raffinerien im Mittleren Westen und im
       Süden der USA. Die Ölindustrie setzt neben Pipelines massiv auf den
       Transport auf der Schiene und auf Binnengewässern. Sowohl in Alberta als
       auch in North Dakota entstehen gegenwärtig mehrere große Ölverladeanlagen.
       
       Und die Fabriken für Öltankwaggons sind auf Jahre ausgebucht. Der Transport
       auf der Schiene, deren Infrastruktur bereits existiert, ist für die
       Ölförderer die billigste und zugleich flexibelste Transportmethode. Die
       Ölzüge machen es möglich, sämtliche Ölraffinerien des Kontinents
       gegeneinander auszuspielen, um jeweils das günstigste Angebot zu nehmen.
       
       Die Ölindustrie argumentiert, dass 99,9 Prozent ihrer Öltransporte sicher
       am Ziel ankommen. Doch allein im vergangenen Jahr ist bei Öltransporten auf
       der Schiene in Nordamerika mehr Öl ausgelaufen als in den vier Jahrzehnten
       zuvor zusammen genommen.
       
       22 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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