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       # taz.de -- SPD-Politikerin über Entwicklungshelfer: „Es geht um Wertschätzung“
       
       > Die neue entwicklungspoltitische Sprecherin der SPD, Bärbel Kofler, hält
       > ungleiche Entgelte in Entwicklungsdiensten für ungerecht.
       
   IMG Bild: „Bekommen die Näherinnen in Bangladesch kaum einen Lohn, löst das Druck auf hiesige Arbeitnehmer aus.“ – Protest in Bangladesch
       
       taz: Frau Kofler, Ihr Vorgänger Sascha Raabe sagte, er wolle nicht mehr
       entwicklungspolitischer Sprecher der SPD sein, weil die eigene Parteispitze
       in den Koalitionsverhandlungen eine deutliche Aufstockung der Mittel für
       die Entwicklungspolitik verhindert habe. Ihnen ist das egal? 
       
       Bei den Verhandlungen zur Entwicklungspolitik war ich nicht dabei. Aber ich
       werde jedes Jahr in den Haushaltsrunden für Geld kämpfen. So ist Politik.
       Und wir hatten adäquate Aufwüchse im Wahlprogramm versprochen.
       
       Genauer: Jedes Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich, Union und SPD einigten
       sich aber nur auf 200 Millionen. Wie lässt sich die Lücke stopfen? 
       
       Im Wahlprogramm hatten wir Steuererhöhungen in Aussicht gestellt. Die Union
       war dazu nicht bereit. Aber über neue Finanzierungsmöglichkeiten müssen wir
       reden. Beide Koalitionspartner, SPD und Union, haben zugesagt, sich rasch
       für eine Finanztransaktionssteuer in Europa einzusetzen.
       
       Was lässt sich ohne Geld machen? 
       
       Wir müssen gute Arbeit wichtiger nehmen. Das hat erst letztes Jahr der
       Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch gezeigt. Die Internationale
       Arbeitsorganisation ILO verlangt seit Langem Mindestlöhne und bessere
       Arbeitsbedingungen. Setzen sich diese Standards durch, hilft das Menschen
       konkret.
       
       Welche Druckmittel haben Sie? 
       
       Müsste eine Firma nachweisen, unter welchen Bedingungen ihre T-Shirts,
       Computer, Möbel entstehen, kann sie sich die verheerenden Zustände nicht
       mehr leisten. Das müssen wir angehen.
       
       Und was soll CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mit der GIZ machen,
       der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die Niebel ihm
       hinterlässt? Der verschmolz im Jahr 2011 die Bildungsagentur Inwent, den
       Deutschen Entwicklungsdienst DED und das Expertenunternehmen GTZ. Die
       Mitarbeiter ringen bis heute mit der Fusion. 
       
       Solche Umstellungsprozesse sind für die Betroffenen immer schwierig. Die
       unterschiedlichen Unternehmenskulturen sind offensichtlich zu wenig
       berücksichtigt worden …
       
       … die einst vom DED entsandten Entwicklungshelfer und die
       GIZ-Auslandsmitarbeiter, die Experten der früheren GTZ, werden nach wie vor
       unterschiedlich bezahlt. Erstere bekommen um die 1.500 Euro im Monat,
       Letztere deutlich mehr. 
       
       Da muss ein Ausgleich gefunden werden, auch wenn das nicht ganz einfach
       ist. Wer Menschen in schwierige, gar gefährliche Regionen dieser Erde
       schicken will, muss sie ordentlich bezahlen. Sonst ist der ohnehin nicht
       familienfreundliche Job zu wenig attraktiv.
       
       Entwicklungshelfer und GIZ-Auslandsmitarbeiter bekommen jetzt aber sogar
       weniger statt mehr. Der Fiskus kassierte viele Jahre lang keine Steuern von
       ihnen. Seit Januar ist das anders. Und nun? 
       
       Das Einkommen zu besteuern ist richtig. Das ist ein Frage der
       Glaubwürdigkeit und Gerechtigkeit im Vergleich zu anderen Bürgern.
       
       Damit ist aber die von Niebel versprochene „Augenhöhe“ aller Mitarbeiter
       nicht erreicht. Und der Frust ist groß. Entwicklungshelfer sprechen nach
       wie vor von einer „Zwangsfusion“. 
       
       Da geht es nicht nur ums Einkommen, sondern grundsätzlich um Wertschätzung.
       
       Was muss sich dann ändern? 
       
       Entwicklungspolitik spielt bei uns in der öffentlichen Wahrnehmung leider
       kaum eine Rolle. Und wenn, dann machen wir den Gegensatz „lieber hier als
       dort“, spielen Investitionen in Bildung hier gegen die in Bangladesch aus.
       Wir müssen aber vielmehr klarmachen, dass Nichtstun in der
       Entwicklungspolitik zu Hause üble Folgen hat.
       
       Ein Beispiel? 
       
       Bekommen die Näherinnen in Bangladesch kaum einen Lohn, löst das Druck auf
       hiesige Arbeitnehmer aus, auch billiger zu produzieren. Wenn wir das
       stärker thematisieren, wird die Arbeit der Entwicklungsleute mehr
       geschätzt.
       
       21 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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