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       # taz.de -- Bremens Beitrag zur Flüchtlings-Abwehr: „Drehscheibe für Drohnen“
       
       > Was Bremen mit Lampedusa verbindet: Die Hansestadt ist ein Hotspot bei
       > der Entwicklung von Techniken, um Flüchtlinge an Europas Grenzen
       > abzuwehren-
       
   IMG Bild: Heron-Drohne über Afghanistan. Mit solchem Gerät sollen auch Flüchtlinge abgewehrt werden.
       
       taz: Herr Monroy, welche Bremer Produkte werden konkret zur
       Flüchtlingsabwehr eingesetzt? 
       
       Matthias Monroy: Hier werden Satelliten und Drohnen entwickelt, die sowohl
       von den EU-Geheimdiensten als auch von der gemeinsamen Grenztruppe Frontex
       genutzt werden. Seit 2012 hat auch das Deutsche Zentrum für Luft- und
       Raumfahrt (DLR) einen Sitz in Bremen und koordiniert von hier aus große
       Projekte in diesem Bereich.
       
       Was wird da genau erforscht? 
       
       Beispielsweise wird in Bremen für EU-Programme gearbeitet, die den Einsatz
       von Heron-Drohnen über dem Mittelmeer vorbereiten. Das sind
       Langstrecken-Drohnen, die sich zur Bewaffnung eignen und auch in
       Afghanistan eingesetzt werden.
       
       Welche Bedeutung hat Bremen dabei im bundesweiten Kontext? 
       
       Das DLR als halbstaatliches Institut ist eine entscheidende Schnittstelle,
       sie ist, zusammen mit anderen Einrichtungen im bayerischen Machning oder in
       Braunschweig, die Drehscheibe der Drohnenforschung.
       
       Und in Bezug auf Satelliten? 
       
       Vor dem Hintergrund von Großprojekten wie der von der Bremer Firma OHB
       entwickelten SAR-Lupe kann man Bremen als die deutsche
       Satelliten-Hauptstadt bezeichnen. Das Ziel dieser Forschung besteht darin,
       die optische Überwachung aus dem Orbit so zu perfektionieren, dass
       beispielsweise Boote schon beim Ablegen in Afrika beobachtet werden können.
       Mit Libyen besteht bereits eine Vereinbarung, dass dieses Informationen
       sofort an die dortige Küstenwache weiter geleitet werden, die die
       Flüchtlinge stoppen soll. Auf diese Weise „erspart“ sich Europa
       Asylanträge.
       
       Man könnte argumentieren, dass den Flüchtlingen auf diese Art auch der
       gefahrvolle Seeweg „erspart“ wird. 
       
       Das ist eine perfide Argumentaion, die in der Tat zu hören war, als im
       Oktober die Lampedusa-Flüchtlinge ertranken. Da wurde gesagt: Wenn es schon
       das wenige Wochen später beschlossene Eurosur-Programm zur Grenzsicherung
       geben hätte, wäre das nicht passiert.
       
       Stimmt das? 
       
       Ich will nicht ausschließen, dass das schnelle Aufspüren von
       Flüchtlingsschiffen nicht auch mal zu Seenotrettungen führen kann. Aber das
       ganze Elend entsteht ja erst durch die hermetische Abschottung der
       europäischen Grenzen, die Flüchtlinge zu immer riskanteren Routen zwingt.
       Was hier passiert, ist sowohl eine Militarisierung als auch eine
       Vergeheimdienstlichung der Flüchtlingsabwehr.
       
       Inwiefern ist Bremen noch an diesen Entwicklungen beteiligt? 
       
       Neben der optischen Überwachung geht es jetzt zunehmend um die akustische.
       Von der Bremer Firma Atlas hat die Bundeswehr kürzlich zwei Drohnen des
       Typs „Secats“ gekauft – das ist der neue Markt.
       
       EADS Astrium und OHB beteiligen sich auch am Erdbeobachtungs-Programm
       „Copernicus“. 
       
       Früher hieß das GMES, auf Deutsch „Globale Umwelt- und
       Sicherheitsüberwachung“ – wobei man über das „S“ für „Sicherheit“ nicht
       weiter gesprochen hat. Das hat erst die 2012 gegründete Initiative „Ziviles
       Bremen“ thematisiert.
       
       Sehen Sie das „E“ für „Environment“ in GMES als Feigenblatt für eine
       hauptsächlich gewollte Sicherheitstechnik? 
       
       Nein, das sehe ich nicht so. Ich halte es für wichtig, dass man
       beispielsweise das Abschmelzen der Polkappen oder das Verschwinden des
       Regenwaldes zeitnah erkennen kann.
       
       Bremens Bürgermeister Böhrnsen gehört, wie schon sein Amtsvorgänger, der
       Initiative „Mayors for Peace“ an. Aber wie soll man Firmen vorschreiben,
       wem sie ihre Technik für welche Zwecke verkaufen? 
       
       Das ist in der Tat schwierig, da kann es zunächst nur einen moralischen
       Appell geben. Allerdings ist der Senat auch in Gestalt seiner
       Wirtschaftsförderung involviert.
       
       Wobei die 75.000 Euro, die OHB 20011/12 als Wirtschaftsförderung bekam,
       eher Peanuts sind. Zumindest verglichen mit den 800 Millionen, die OHB von
       der Bundeswehr für das Nachfolgesystem SARah bekommt. 
       
       Das mag schon sein. Aber der Senat könnte durchaus klare Zeichen setzen,
       etwa über die Innenminister-Konferenz und andere Gremien – es gab
       beispielsweise eine Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft „Drohnen“.
       
       Sie sind von der Linkspartei Montagabend zu einer Diskussionsveranstaltung
       eingeladen, gemeinsam mit einem Bremer Rüstungskritiker und der
       Fraktionsvorsitzenden. Was könnte zwischen Ihnen kontrovers diskutiert
       werden? 
       
       Vielleicht die Frage, ob man die Entwicklung der Satelliten grundsätzlich
       wegen der Anwendbarkeit für die Umweltforschung akzeptiert.
       
       Wäre es nicht spannender, wenn Vertreter der Handelskammer, des Senats oder
       der Firmen mit am Tisch säßen? 
       
       Das finde ich nicht. Die haben genügend Gelegenheiten zur
       Selbstdarstellung.
       
       ## Diskussion: Montag, 19 Uhr, DGB-Haus am Hauptbahnhof
       
       19 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henning Bleyl
       
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