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       # taz.de -- Windparkbetreiber Prokon: Die Vision überlebt die Pleite
       
       > Sie nennen sich „Freunde von Prokon“. Sie kämpfen für ihre trudelnde
       > Firma. Doch was treibt sie an? Der Versuch einer Annäherung.
       
   IMG Bild: Prokon pflege „eine einmalige ethisch, soziale und ökologische Kultur“, begründen viele Anleger ihr Interesse am Firmenerhalt
       
       FREIBURG taz | Es ist nicht leicht, sich den „Freunden von Prokon“ zu
       nähern. Zumindest nicht von außen her. Wolfgang Siegel ist Inhaber der
       gleichnamigen Internet-Domain – und nicht erreichbar. Auf dem
       Anrufbeantworter bittet er um Verständnis, dass er in Sachen Prokon nicht
       zurückrufen kann. Von der Menge her sei das nicht zu leisten. Auch auf
       E-Mails antwortet der Dortmunder Psychotherapeut nicht.
       
       Presseanfragen an Prokon selbst sind ohnehin sinnlos. Gerade hat
       Geschäftsführer Carsten Rodbertus in einem offenen Brief noch einmal
       erklärt: „Es ist in der Tat so, dass wir auf konkrete Presseanfragen nach
       wie vor nicht reagieren.“ Denn das habe sich „für uns als nicht hilfreich
       erwiesen“.
       
       Schade. Gerne hätte man mit den beiden Herren über die „Freunde von Prokon“
       gesprochen – ist doch die Konstellation bemerkenswert. Da spricht eine
       Firma, die von Bürgern 1,4 Milliarden Euro eingesammelt hat, von einer
       drohenden Insolvenz. Und was macht ein Teil der Anleger? Er verflucht nicht
       etwa die Geschäftsführung. Er gründet im Gegenteil einen Freundeskreis und
       diskutiert gar, noch Geld nachzuschießen.
       
       Die Frage liegt also nahe: Wer sind die „Freunde von Prokon“? Und was
       bewegt sie? Da man an den obersten Prokon-Freund, Herrn Siegel, aber wie
       gesagt nicht herankommt, muss man sich eben von der Basis her nähern. Zum
       Beispiel in Stuttgart. Dort trafen sich jüngst 37 Investoren und verfassten
       anschließend eine Pressemitteilung: „Anleger stellen sich vor Prokon.“ Man
       sei „nach wie vor von der besonderen Unternehmensphilosophie überzeugt“.
       Das Unternehmen sei „weder überschuldet noch bankrott“.
       
       Menschen aus einer anderen Welt? Schließlich hatte Prokon selbst doch
       jüngst „ernsthafte Liquiditätsschwierigkeiten“ eingeräumt.
       
       ## Ist das verrückt? Naiv?
       
       Spurensuche bei Felix Berlin. Er hat das Treffen in Stuttgart
       mitorganisiert. Er glaubt an die wirtschaftliche Substanz der Firma und
       spricht vor allem davon, dass er die Ziele von Prokon mit seinem Geld
       unterstützen will: die Energiewende sowie eine Wirtschaft, die nicht von
       Banken dominiert wird. Auch in andere Projekte der erneuerbaren Energien
       hat der Ingenieur investiert.
       
       Siegfried Schreiber war ebenfalls in Stuttgart dabei. Auch er ist an
       Solaranlagen beteiligt, an einem Bürgerwindrad – und eben an Prokon.
       Geldanlagen bei Banken kamen für ihn nie in Frage: „Ich habe immer nur in
       ethischen Unternehmen angelegt.“ Auch er glaubt nach wie vor an Prokon. Und
       er überlegt, noch Geld nachzulegen.
       
       Ist das verrückt? Naiv? Nein, konsequent, findet der freischaffende
       Künstler: „Wir haben ein politisches Interesse daran, dass Prokon
       fortbesteht.“ Die Banken und Stromkonzerne würden sich doch freuen, falls
       die Firma bankrottginge. Aber braucht man für politisch motivierte
       Geldanlagen wirklich 8 Prozent Rendite? Natürlich nicht, sagt Schreiber:
       „Ich wäre auch bei deutlich weniger eingestiegen.“
       
       Ähnlich sieht es Gerald Hofer, der „aus tiefster Überzeugung“ in Prokon
       investiert hat. Denn das Unternehmen pflege „eine einmalige ethisch,
       soziale und ökologische Kultur“. Auch er will die Energiewende, hat sein
       Haus zum „Energieplushaus“ umgebaut. Auch er glaubt, dass Prokon Zukunft
       hat, denn mit dem Geld der Anleger seien ja Werte geschaffen worden:
       Windkraftanlagen und auch technische Eigenentwicklungen.
       
       ## Der „Prokoner Geist“
       
       Blickt man auf die Internet-Einträge der „Freunde von Prokon“, stellt man
       fest: Hier denken viele ähnlich – sei es über die Substanz der Firma, sei
       es über die ökosoziale Idee. Sie sind überzeugt, dass Prokon nicht wirklich
       pleite ist, sondern nur in Bedrängnis gerät, weil allzu viele Investoren
       ihr Geld abziehen.
       
       Gut 5.000 Anleger haben sich als Freunde von Prokon registriert. Sie sind
       eine Minderheit, denn es gibt weitere 70.000 Anleger, von denen viele
       allein wegen des Renditeversprechens ihr Geld an Prokon überwiesen. Aber
       diese kleine Minderheit ist unbeirrt. Es sind Anleger, die statt über
       Renditen lieber über den „Prokoner Geist“ reden, über „eine andere
       Denkweise als die in der Wirtschaft gewohnte“. Die mit ihrem Geld, das sie
       nicht zum täglichen Leben benötigen, „Sinnvolles für sich selbst, für die
       Gemeinschaft und für die Umwelt“ schaffen wollen.
       
       Ob ausgerechnet die Firma Prokon diese Idee umzusetzen vermag, bleibt eine
       ganz andere Frage.
       
       20 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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