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       # taz.de -- Atommüll: Schlupfloch für Castoren
       
       > Laut einer Greenpeace-Studie schließt auch das novellierte Atomgesetz
       > nicht aus, dass ab 2015 neue Castor-Behälter nach Gorleben kommen.
       
   IMG Bild: Könnten ab 2015 wieder kommen: Castor-Behälter bei der Einfahrt ins Atommüll-Zwischenlager Gorleben.
       
       HANNOVER taz | Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Greenpeace-Studie
       fürchten Gorleben-Gegner neue Castortransporte ins Wendland. Einen
       Einlagerungsstopp für Gorleben sieht die Einigung auf eine bundesweite
       Suche nach einem Atommüllendlager zwar vor, die Bund und Länder 2013 noch
       unter Ex-Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ausgehandelt haben. Die
       Greenpeace-Expertise erhebt daran aber rechtliche Zweifel.
       
       Zusätzlich absichern sollte den Castor-Stopp nach Gorleben eine Änderung
       des Atomgesetzes, hatten damals Altmaier und Niedersachsens rot-grüne
       Landesregierung erklärt. Die jetzt vorgelegte Studie warnt allerdings vor
       einer „folgenschweren Gesetzeslücke“: Auch nach der Novelle schließe das
       Gesetz Gorleben nicht für alle Castoren aus, die Deutschland ab 2015 aus
       Wiederaufbereitungsanlagen im Ausland aufnehmen muss.
       
       Zwar heiße es im Gesetz, „verfestigte Spaltproduktlösungen“ seien in
       Zwischenlager an Atomkraftwerken zu transportieren – und damit nicht nach
       Gorleben. Für fünf der insgesamt 26 Castoren, die bis 2020 aus England und
       Frankreich erwartet werden, gelte das aber nicht. In diesen Behältern mit
       mittelradioaktiven Abfällen befinde sich Prozess- und Spülwasser, also
       Atommüll einer anderen Kategorie.
       
       Gorleben bleibe damit das einzige genehmigte Zwischenlager für diese
       Castoren, warnt der Umweltverband. Niedersachsen sei bei den Verhandlungen
       „offenbar bewusst getäuscht“ worden. Denn dass es keine weiteren
       Vorfestlegungen auf Gorleben als möglichen Standort gibt, war einst
       Bedingung für die Zustimmung von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan
       Weil (SPD) und Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) zum sogenannten
       Endlagerkonsens.
       
       Über 100 Atommüllbehälter lagern schon jetzt in dem oberirdischen
       Zwischenlager nahe dem Salzstock. Nach der Greenpeace-Studie bezweifelt die
       Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, dass es sich bei der
       Gesetzesformulierung um eine „Unachtsamkeit“ handelt. „Durch die Hintertür“
       sollten trotz aller Ankündigungen neue Castoren nach Gorleben kommen.
       
       Denn wo die erwarteten Castoren alternativ zwischengelagert werden sollen,
       ist nach wie vor unklar. Bislang zeigen einzig Schleswig-Holstein und
       Baden-Württemberg Bereitschaft, einen Teil unterzubringen – sofern sich ein
       weiteres Bundesland beteiligt. Befürchtungen, es könne am Ende doch auf
       Gorleben hinauslaufen, hat Niedersachsens Umweltminister Wenzel aber nicht.
       Die Zwischenlager-Frage müsse die neue Bundesumweltministerin Barbara
       Hendricks (SPD) lösen, sagt er auf Anfrage.
       
       Auch die rechtlichen Zweifel der Greenpeace-Expertise teile er nicht.
       „Dieser spezielle Punkt macht mir keine Sorgen“, sagt Wenzel. Die
       betreffenden Castoren seien aus technischen Gründen nicht frei von
       Spaltprodukten und damit vom Atomgesetz mit erfasst. Zudem sei der
       Einlagerungsstopp für Gorleben „Eckstein“ des Kompromisses zwischen Bund
       und Ländern, besiegelt durch einen Beschluss der
       Ministerpräsidentenkonferenz.
       
       Weit drängender ist für Wenzel die Bildung der geplanten
       Bund-Länder-Kommission, die Kriterien für das Suchverfahren erarbeiten
       soll. Schon im vergangenen September hätte das Gremium seine Arbeit
       aufnehmen sollen. Doch bislang ist es nicht einmal besetzt, nicht zuletzt,
       weil sich die Umweltverbände aus Kritik am vorgesehenen Verfahren bisher
       nicht an der Kommission beteiligen wollen. Bei der Endlagerfrage könne es
       „echte Lösungen nur im Konsens geben“, sagt Wenzel, und dafür seien weitere
       „vertrauensbildende Maßnahmen erforderlich“.
       
       Darum bemühte sich Wenzel just am gestrigen Donnerstag, an dem Greenpeace
       mit seiner Studie neue Zweifel säte. Für den Abend hatte er zum Thema
       „Jahrhundertaufgabe Atommülllagerung“ nach Berlin in Niedersachsens
       Landesvertretung eingeladen. Ein Diskussionspunkt: Wie es gelingen kann,
       „alle wichtigen Akteure an den Tisch zu holen“, also auch die
       Umweltverbände.
       
       16 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
       
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