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       # taz.de -- Drei Jahre Arabische Revolution: Vom Funken zur Explosion
       
       > Tunesien, Syrien, Oman – vor drei Jahren begannen die Menschen in der
       > arabischen Welt, sich gegen ihre Autokraten zu erheben. Ein Rückblick.
       
   IMG Bild: Ausgebrochen aus der politischen Unmündigkeit: Straßenkunst in Tripolis, Libyen
       
       Mit einem verzweifelten Gemüsehändler fing alles an: Der junge Tunesier
       Mohammed Bouazizi übergießt sich am 17. Dezember 2010 mit Benzin und zündet
       sich an – aus Verzweiflung über seine Perspektivlosigkeit. Schnell
       verbreitet sich das Video der Tat im Netz. Die Nachricht löst landesweite
       Massenproteste aus.
       
       „Das Volk will den Sturz des Regimes“, fordern die Tunesier bald. Seit 23
       Jahren regiert Präsident Zein el-Abidine Ben Ali das Land. In der Nacht zum
       14. Januar versammeln sich Tausende vor dem Innenministerium;Menschen
       skandieren „Nein zu Ben Ali“. Dann ist es soweit: Der Präsident setzt sich
       ins Exil nach Saudi-Arabien ab. „Endlich frei“, schreiben Revolutionäre auf
       eine Hauswand.
       
       Polizeigewalt, miserable Lebensbedingungen und politische Unfreiheit:
       Ermutigt durch die Tunesier erheben sich nun auch die Ägypter. Tausende
       strömen am 25. Januar 2011 auf den Kairoer Tahrirplatz. Bis heute gibt der
       Tag dem ägyptischen Aufstand seinen arabischen Namen: „Revolution des 25.
       Januar“. Der Tahrirplatz wird zum Inbegriff des Arabischen Frühlings.
       
       Dann kommt der Höhepunkt: 18 Tage nach Beginn der Proteste in Ägypten fällt
       Hosni Mubarak. Drei Jahrzehnte lang hat er das große, einflussreiche Land
       inmitten der arabischen Welt regiert. Statt seiner herrscht in Kairo nun
       Volksfeststimmung.
       
       Doch damit nicht genug: Auch in den Monarchien der arabischen Halbinsel
       brodelt es. Sind die öl-verwöhnten Autokraten am Golf doch nicht
       unantastbar? Vor allem in Bahrain fordern die Demonstranten Reformen, bald
       auch das Ende der Khalifa-Dynastie. Wie der Tahrirplatz wird der
       Perlenplatz in Manama zum Zentrum des bahrainischen Widerstands.
       
       Beinahe unbeachtet von der Weltöffentlichkeit gehen auch die Jemeniten in
       Massen auf die Straße. Selbst im Oman fängt der Thron von Sultan Qaboos an
       zu wackeln; es kommt zu blutigen Zusammenstößen. Doch der Sultan reagiert
       klug: Er entlässt Minister, schafft 50.000 neue Jobs und erhöht den
       Mindestlohn.
       
       In Bahrain dagegen werden die Proteste gewaltsam unterdrückt.
       Saudi-arabische Truppen eilen dem Nachbar-Regime zu Hilfe. Der
       symbolträchtige Perlenplatz wird geräumt und später komplett zerstört.
       
       Auch in Libyen scheint das Regime entschlossen, mit aller Härte gegen die
       Aufständischen vorzugehen. Doch dann interveniert die Nato mit
       Luftschlägen. Obwohl das Bündnis laut Sicherheitsrat nur zum Schutz der
       Zivilbevölkerung eingreifen darf, bombt es das Gaddhafi-Regime faktisch
       weg. Deutschland hält sich raus.
       
       Als Gaddhafi die belagterte Stadt Sirte verlässt, greift die Nato seinen
       Konvoi an. Rebellen finden ihn schließlich in einem Abflussrohr, das ihm
       als Versteck gedient haben soll, und töten ihn.
       
       In Syrien erhebt sich Protest gegen Diktator Baschar al-Assad. Die
       friedliche Demokratiebewegung gewinnt schnell an Zulauf, doch das Regime
       antwortet ebenso rasch mit verschärften Repressionen. Die Opposition
       beginnt sich zu bewaffnen. Zum Schutz von Zivilisten laufen Soldaten der
       staatlichen Armee zu den Rebellen über. Im Juli 2011 gründen sie die Freie
       Syrische Armee (FSA).
       
       Nachrichten über Tote und Verletzte häufen sich. Doch gleichzeitig
       explodiert die Kreativität der jungen Menschen. Mit Graffiti erobert die
       Jugend den öffentlichen Raum zurück, verschafft ihrer lang unterdrückten
       Stimme Gehör – wie hier in Kairo.
       
       Im Jemen stimmt Präsident Ali Abdullah Salih im November 2011 der
       Machtübergabe an seinen Stellvertreter Mansur Hadi zu. Es soll Neuwahlen
       geben. Im Gegenzug wird dem Präsidenten und seinen Angehörigen Immunität
       und die Ausreise in die USA zugesichert. Am 22. Januar 2012 übernimmt Hadi.
       Salih, Präsident seit 1978, setzt sich in die USA ab.
       
       Während der Konflikt in Syrien immer mehr Tote fordert, sind es in Tunesien
       und Ägypten die Islamisten, die von den Umwälzungen zunächst profitieren.
       Im Juni 2012 gewinnt Mohammed Mursi die ersten freien
       Präsidentschaftswahlen Ägyptens. Ein Muslimbruder an der Staatsspitze des
       bevölkerungsreichsten Staats der arabischen Welt – das hat es noch nie
       gegeben.
       
       Doch Mursi hat seine Gegner unterschätzt. Unterstützt durch Wirtschaft,
       Militär und Medien, beginnen die Menschen erneut zu demonstrieren. Die
       Entmachtung Mursis im Sommer 2013 spaltet das Land: Was für die einen ein
       Militärputsch ist, ist für die anderen eine erneute Revolution. Der neue
       starke Mann im Staat ist Armeeführer Abdel Fattah El-Sisi.
       
       Als Sisi im August ein Protestcamp der Mursi-Anhänger in Kairo räumen
       lässt, kommt es zu einem Massaker: Hunderte Mursi-Anhänger sterben, das
       Camp gleicht nach der Räumung einem Kriegsfeld. Sisi scheint entschlossen,
       die Muslimbrüder rigoros zu unterdrücken und das Land ohne Rücksicht auf
       Verluste aus der Krise zu führen.
       
       Wenige Tage später, am 21. August, verdrängen Schreckensbilder aus Syrien
       Ägypten aus den Schlagzeilen: In Damaskus wird Giftgas eingesetzt. Es ist
       nicht der erste Einsatz chemischer Waffen, aber der grausamste. Zunächst
       ist unklar, ob Rebellen oder Regimetruppen für die Hunderte Toten
       verantwortlich sind. Doch die Größenordnung weist auf den organisierte
       Militärapparat des Assad-Regimes hin. Die USA drohen mit einem Strafschlag
       gegen Syrien, doch der bleibt aus.
       
       Vor allem im Libanon, in Jordanien, der Türkei und im Irak suchen die Syrer
       Schutz. Wer kann, mietet eine Wohnung oder kommt bei Verwandten unter, die
       anderen sind auf Zeltlager angewiesen. Im Libanon kommt jeder Vierte
       bereits aus Syrien.
       
       Der Januar 2014 ist der Monat der Verfassungen: In Tunesien befindet sich
       die Verfassungsgebende Versammlung nach jahrelanger Verzögerung in der
       Endphase; gleichzeitig macht die islamistische Ennahda-Partei den Weg frei
       für Neuwahlen und eine Expertenregierung.
       
       Das gibt Hoffnung: „2014 wird das Jahr der Krönung der Revolution, der
       Krönung des Wegs zur Demokratie“, verkündet Präsident Moncef Marzouki. In
       Ägypten stimmen – offiziellen Angaben zufolge – über 98 Prozent für die
       unter der Ägide des Militärs erarbeitete Verfassung. Die Wahlbeteiligung
       allerdings ist gering: 38,6 Prozent. Sowohl Islamisten als auch säkulare
       Oppositionsbündnisse boykottieren die Abstimmung.
       
       25 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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