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       # taz.de -- Sexuelle Gewalt in Birma: Dokumente gegen Vergewaltigungen
       
       > Soldaten der Armee setzen auch unter der zivilen Regierung gezielt
       > sexuelle Gewalt als Waffe ein. Das kritisiert die Frauenliga von Birma.
       
   IMG Bild: Möchte unsichtbar bleiben: vergewaltigte Frau in Birma.
       
       RANGUN ap | Arglos stand das Mädchen im Vorgarten der Bambushütte, als der
       Soldat sie anschaute und herüberkam. Die Eltern waren fort, sie bestellten
       die Reisfelder in der birmanischen Krisenregion Shan.
       
       Der Soldat habe sie erst gezwungen, ins Innere der Bambushütte zu gehen,
       sagt die Siebenjährige im voll besetzten Gerichtssaal. Mit versteinerter
       Miene lauscht der mutmaßliche Angreifer den Worten. „Er schlug mich und
       befahl mir, meine Klamotten auszuziehen“, flüstert sie. „Dann (...)
       vergewaltigte er mich“.
       
       Ein Martyrium wie das des Mädchens mussten der Organisation Frauenliga von
       Birma zufolge viele weitere Menschen in von ethnischer Konflikten geplagten
       Grenzregionen wie Shan und Kachin erleiden – und zwar systematisch.
       
       Gezielt setze das birmanische Militär weiterhin Vergewaltigung als Waffe
       ein, geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Gruppe hervor.
       Daran habe die Machtübernahme der zivilen Regierung von Präsident Thein
       Sein vor drei Jahren und das damit verbundene Ende der brutalen Herrschaft
       der Armee nichts geändert.
       
       ## Mehr als 100 Vergewaltigungen dokumentiert
       
       Die Frauenliga von Birma dokumentierte in ihrem Report mehr als 100
       Vergewaltigungen. Bei der Hälfte der Fälle handele es sich um brutale
       Gruppenvergewaltigungen, etliche der Opfer seien Kinder. Und 28 der Frauen
       seien von ihren Peinigern getötet oder später ihren schweren inneren
       Verletzungen erlegen, sagt die Generalsekretärin der Liga, Tin Tin Nyo.
       
       Für die Verbrechen seien in den meisten Fällen bewaffnete Soldaten in
       Uniform verantwortlich, etwa Hauptmänner, Kommandeure und mindestens ein
       General. In vielen Fällen würden die Opfer vor den Augen ihrer Ehemänner
       oder anderer Angehöriger vergewaltigt. Auf diese Weise solle Furcht davor
       gesät werden, Milizen einer bestimmten ethnischen Gruppe zu unterstützen.
       
       Tin Nyo sieht kaum Hoffnung auf eine Besserung der Lage, solange die
       Regierung nicht die birmanische Verfassung ändere. Denn die gebe dem
       Militär das Recht, alle seine Angelegenheiten intern zu regeln. Das führt
       dazu, dass Vergewaltiger kaum für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen werden.
       Und selbst wenn die Fälle vor einem Militärtribunal verhandelt würden, gäbe
       es in der Regel am Ende einen Freispruch, hieß es in dem Bericht weiter.
       
       ## Auch Rebellengruppen für sexuelle Gewalt verantwortlich
       
       Die Armee hat zwar formal alle Macht abgetreten, hat aber immer noch großen
       Einfluss auf fast alle Regierungsgeschäfte. 25 Prozent aller Sitze im
       Parlament werden von Armeevertretern gehalten.
       
       Kritische Stimmen gegen die sexuelle Gewalt durch das Militär blieben
       bisher weitgehend Mangelware. Selbst Oppositionspolitikerin San Suu Kyi,
       die unter der Ex-Militärjunta mehr als 15 Jahre im Hausarrest saß, äußerte
       sich auffallend verhalten zu dem Thema. Als sie im vergangenen Monat auf
       einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob ihr der Mangel an Rechenschaft im
       Umgang mit systematischen Vergewaltigungen auch Sorgen bereite, wich die
       Friedensnobelpreisträgerin aus. Auch die Rebellengruppen seien für sexuelle
       Gewalt verantwortlich, sagte Suu Kiy.
       
       Ihre Antwort war aus Sicht von Beobachtern dem Umstand geschuldet, das sie
       im kommenden Jahr ins Präsidentschaftsrennen einsteigen will. Die Armee hat
       allerdings die Macht, diesen Ambitionen ein Ende zu bereiten.
       
       ## Entlegene Gebiete
       
       Die von der Frauenliga dokumentierten Vergewaltigungsfälle sind aber „nur
       die Spitze des Eisbergs“, wie Generalsekretärin Tin Nyo sagt. Die
       Informationen im Bericht kämen fast ausschließlich von Opfern oder Zeugen,
       die es gewagt hätten, von ihrem Leid zu erzählen. Doch Forscher hätten
       bislang wegen Sicherheitsbedenken einige entlegene Gebiete nicht besuchen
       können, sagt Tin Nyo.
       
       Dem kleinen Mädchen aus Shan könnte nun ein Stück Gerechtigkeit
       widerfahren, womit sie eine der wenigen Ausnahmen wäre. Ihr mutmaßlicher
       Peiniger soll nach einem öffentlichen Aufschrei der Empörung vor ein
       ziviles Gericht gestellt werden. „Wir versuchen unser Bestes, ein faires
       Urteil zu fällen“, sagt der Anwalt Brang Di.
       
       15 Jan 2014
       
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