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       # taz.de -- „Fünf Sterne“ zu illegaler Einwanderung: Online-Schlappe für Diktator Grillo
       
       > In einer Internet-Abstimmung entschied die italienische Protestbewegung
       > Fünf Sterne über die Streichung des Paragrafen „illegale Einwanderung“.
       
   IMG Bild: Das Volk hat entschieden, der König greint: Beppe Grillo.
       
       ROM taz | Die Protestbewegung M5S (Movimento5Stelle) wird im italienischen
       Senat für die Aufhebung des Straftatbestands „illegale Einwanderung“
       stimmen. Dies beschloss am Montag die Basis der M5S in einer online
       organisierten Abstimmung mit klarer Mehrheit. Damit ging die Basis auf
       Distanz zur Position des Gründers und Anführers Beppe Grillo.
       
       Die Abstimmung war nur deshalb nötig geworden, weil Grillo im Oktober einen
       Vorstoß aus seiner Fraktion rüde abgeblockt hatte: Unter dem Eindruck der
       Tragödie des 3. Oktobers, bei der vor Lampedusa 366 Bootsflüchtlinge
       ertranken, hatten zwei M5S-Parlamentarier im Senat einen
       Entschließungsantrag zur Streichung des Paragraphen „illegale Einwanderung“
       eingebracht.
       
       Grillo hatte mit [1][einem wütenden Eintrag in seinem Blog] – der
       bezeichnenderweise zugleich der Blog des M5S ist – geantwortet und die
       beiden Antragsteller abgekanzelt als Senatoren, die „eine rein persönliche
       Initiative“ verfolgten, die sich als „Doktor Seltsams“ aufführten und
       Positionen verträten, die „nicht die des M5S“ seien.
       
       Er argumentierte, ein Votum, das „klandestinen Einwanderern“ entgegenkomme,
       koste M5S bloß Wählerstimmen; die Liste habe bei den letzten
       Parlamentswahlen nur deshalb 25 Prozent erreicht, weil sie auf solche
       Eskapaden verzichtet habe.
       
       ## Blogeinträge gegen Afrikaner
       
       In Immigrationsfragen positioniert sich Grillo sei je eher rechts. So lehnt
       er die automatische Gewährung der Staatsbürgerschaft für in Italien
       geborene Kinder von Immigranten ab, und so schreibt er auch schon einmal
       Blogeinträge gegen „kriminelle Afrikaner“. Im Oktober proklamierte er dann:
       „Das Web entscheidet“ und zwang seine beiden Senatoren zu einem
       demütigenden Rückzug.
       
       Jetzt hat „das Web“ entschieden. Eine formale Mitgliedschaft kennt M5S zwar
       nicht – wohl aber die Figur des „registrierten Teilnehmers“ am Blog
       [2][www.beppegrillo.it]. Und jene gut 80.000 Personen, die sich bis zum 30.
       Juni 2013 hatten registrieren lassen, durften am Montag online ihr Votum
       abgeben. 25.000 machten von ihrem Recht Gebrauch; mit mehr als 16.000
       stimmten gut zwei Drittel für die Streichung der Straftat „illegale
       Einwanderung“ – und damit gegen Grillo.
       
       Mit diesem Votum – dem ersten dieser Art überhaupt, seitdem im Februar 2013
       109 M5S-Abgeordnete und 54 Senatoren ins Parlament einzogen – verschiebt
       nun die Basis die Achse des M5S wieder nach links. Das ist kein Wunder: Das
       Gros der Aktivisten der ersten Stunde speist sich aus enttäuschten
       Anhängern der traditionellen Linksparteien Italiens.
       
       ## Strukturelles Dilemma
       
       So klar die Abstimmung ausging, so wenig ist mit ihr jedoch das
       strukturelle Problem der M5S gelöst: Das Dilemma einer Bewegung, die die
       „direkte Demokratie“ propagiert, zugleich aber im Alltag der Diktatur
       Grillos und seines politischen Zwillings Gianroberto Casaleggio (Webmaster
       des Blogs) unterliegt. So erfuhren am Montag auch Senatoren des M5S erst um
       10.49 Uhr per E-Mail, dass von 10 bis 17 Uhr die Online-Abstimmung
       angesetzt war. Entsprechend groß war der Unmut, der sich aber nach
       Bekanntgabe des Ergebnisses in Jubel wandelte.
       
       Von transparenten Entscheidungsprozessen, von einer klaren Strukturierung
       ist M5S aber weit entfernt. Dies zeigte sich jüngst erst auf Sardinien. Auf
       der Insel stehen im Mai Regionalwahlen an; im Februar 2013 war M5S mit
       sensationellen 30 Prozent zur stärksten Partei Sardiniens geworden. Jetzt
       aber treten die Fünf Sterne gar nicht an. Mehrere Seilschaften hatten sich
       über die Kandidaturen zerstritten – und Grillo hatte daraufhin per Ukas die
       Beteiligung seiner Liste an den Wahlen verboten.
       
       15 Jan 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.beppegrillo.it/2013/10/reato_di_clandestinita.html
   DIR [2] http://www.beppegrillo.it
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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