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       # taz.de -- Neues Asylbewerberheim: Bewährungschance für Hoyerswerda
       
       > Über 22 Jahre nach den fremdenfeindlichen Pogromen bekommt Hoyerswerda
       > wieder ein Asylbewerberheim. Ort ist eine ehemalige Schule, der
       > Eröffnungstermin ist geheim.
       
   IMG Bild: Ein Elefant als Relikt aus Schulzeiten: Auf den Fluren des neuen Asylbewerberheims
       
       HOYERSWERDA dpa | Am 17. September 1991 eskalierte die Lage in Hoyerswerda:
       Acht angetrunkene Skinheads pöbelten vietnamesische Händler an. Rechte
       belagerten ein Hochhaus, in dem Mosambikaner und Vietnamesen wohnten.
       Steine und Flaschen flogen. Später wurde ein Asylbewerberheim angegriffen.
       Nach tagelangen Krawallen wurde es geräumt. Etwa 230 Ausländer verließen
       die Stadt unter Polizeischutz. 32 Menschen wurden verletzt.
       
       Nun wird in der Stadt, die als erste bundesweit nach der Wiedervereinigung
       Negativ-Schlagzeilen mit Gewalt gegen Ausländer machte, wieder ein
       Asylbewerberheim eingerichtet. Der Landkreis Bautzen lässt in der Kommune
       im Nordosten Sachsens eine frühere Förderschule zu einer Bleibe für
       Asylbewerber umbauen. In der kommenden Woche soll das Heim mit Platz für
       bis zu 120 Asylbewerber teilweise bezugsfertig sein.
       
       Unter dem Motto „Hoyerswerda hilft mit Herz“ hat sich ein Bündnis zur
       Unterstützung der Neuankömmlinge formiert. Es will die Bevölkerung für eine
       „Willkommenskultur“ sensibilisieren. Der evangelische Pfarrer Jörg Michel
       gehört zu den Initiatoren. „Das ist die Nagelprobe, ob sich die Stadt mit
       ihren Bürgern gastfreundlich zeigt“, sagt er.
       
       Im Dezember hatte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich an die
       Menschen in Hoyerswerda appelliert, das Schicksal Notleidender nicht zu
       vergessen: „Diese Menschen verlassen ihre Heimat, ohne zu wissen, was sie
       in der Fremde erwartet. Einen solchen Schritt würde man selbst nicht ohne
       weiteres tun“, sagte er. „Wenn man sich trotzdem auf den Weg macht, muss
       die Verzweiflung groß sein.“
       
       Wann die ersten Asylbewerber kommen, weiß offiziell bislang niemand. Den
       Termin geheim zu halten, könnte auch deshalb klug sein, um nicht rechte
       Kräfte mobil zu machen, glaubt Renate Walkenhorst, Sprecherin der European
       Homecare GmbH mit Sitz in Essen (Nordrhein-Westfalen). Das Unternehmen
       betreibt das geplante Heim. Die frühere Schule wird mit rund 900.000 Euro
       für Asylsuchende hergerichtet.
       
       ## Vier bis sechs Menschen pro Klassenzimmer
       
       Die Asylsuchenden kommen in ehemaligen Klassenzimmern unter, meist zu viert
       oder zu sechst. Laut Gesetz stehen jeder Person mindestens sechs
       Quadratmeter zu. Im Foyer entstand ein Wachraum, der rund um die Uhr
       besetzt sein wird. Der Diensthabende sei nicht nur für den Objektschutz
       zuständig, sondern solle auch Ansprechpartner für die Heimbewohner sein,
       sagt die Sprecherin von European Homecare. Das 1989 gegründete Unternehmen
       ist bundesweit tätig. In Sachsen betreibt es bereits Asylbewerberheime in
       Werdau und Bischofswerda.
       
       Deutschland erlebt derzeit einen starken Zustrom von Asylsuchenden aus
       Konfliktgebieten. Viele Kommunen suchen verzweifelt nach Räumen, um sie
       unterzubringen. Hoyerswerda will gut auf die Neuankömmlinge vorbereitet
       sein. Die Stadtverwaltung hat eine Telefon-Hotline eingerichtet. „Jeder,
       der eine Frage hat, kann sie stellen“, sagt Pfarrer Michel. „Es kann
       niemand behaupten, er sei nicht informiert worden.“
       
       Das Bürgerbündnis organisiert parallel Alltagshilfe für die Neuankömmlinge.
       Mehrere Kisten mit Sachspenden wie Spielzeug, Schuhe, Kleidung oder
       Bettwäsche, stehen im evangelischen Gemeindehaus schon bereit. Auch ein
       Stadtplan mit Hinweisen in sechs Fremdsprachen ist in Arbeit. Dennoch
       beschäftigt Michel eine Sorge: „Wir werden sehen, wie sich Leute von der
       NPD benutzen lassen – über die Angstschiene oder durch Sozialneid.“
       
       13 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anett Böttger
       
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