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       # taz.de -- Fracking im Norden: Eine Frage der Zuständigkeit
       
       > In Niedersachsen wird entschieden, ob in Schleswig-Holstein gefrackt
       > werden darf. Nun erwägt das Kieler Energieministerium, das neu zu regeln.
       
   IMG Bild: Wünschen sich von Minister Robert Habeck mehr Einsatz für ihre Sache: Fracking-Gegner.
       
       KIEL/HANNOVER taz | Was Fracking bedeutet, weiß Frank Tietgen genau: Eine
       acht Meter hohe Salzwassersäule schoss 1970 aus dem Feld hinter seinem
       Elternhaus im Örtchen Kalübbe im Kreis Plön. „Ein Streifen von 60 mal 15
       Metern war jahrelang stark geschädigt, der angrenzende Knick ist es bis
       heute“, sagt Tietgen. Nun könnte es in seiner Nachbarschaft wieder losgehen
       mit dem Verfahren, bei dem Flüssigkeit in den Untergrund gepresst wird, um
       Öl und Gas an die Oberfläche zu treiben.
       
       Energiefirmen stecken seit einiger Zeit verstärkt Claims für Probebohrungen
       in Schleswig-Holstein ab. Die Genehmigungen erteilt das Bergbauamt in
       Niedersachsen im Auftrag des Energie- und Umweltministeriums in Kiel. Nun
       erwägt das Kieler Ministerium, die Aufgabe wieder ins eigene Bundesland zu
       holen. Bürgerinitiativen gegen Fracking zweifeln dennoch am Willen des
       grünen Ministers Robert Habeck, die umstrittene Methode zu verhindern.
       
       Drei „Konzessionen zur Aufsuchung“ hatte das Landesamt für Bergbau, Energie
       und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld kurz vor Weihnachten erteilt.
       Damit können nun potenziell ölhaltige Felder in den Gemeinden Gettorf,
       Sterup und Elmshorn untersucht werden. Ferner wurde für ein Feld in Warnau
       die Erlaubnis erteilt, Rohstoffe abzubauen. Das Ministerium beruft sich
       dabei auf die Gesetzeslage: Seien alle Voraussetzungen erfüllt, müsse das
       Bergbauamt den Firmen den Bohrbetrieb erlauben. „Fracking muss politisch
       und nicht verwaltungstechnisch attackiert werden – wir brauchen ein
       geändertes Bundesbergrecht“, forderte Habeck zuletzt im Streit über die
       Rolle des LBEG.
       
       Gutachten hatten ergeben, dass die Behörde entgegen langjähriger Praxis und
       Abkommen zwischen den Bundesländern kein Recht hatte, Genehmigungen in
       Schleswig-Holstein zu erteilen. Das Land hatte diese Rechtslücke
       geschlossen – zum Ärger von Anti-Fracking-Initiativen. Patrick Breyer,
       Abgeordneter der Piratenpartei im Schleswig-Holsteinischen Landtag, ist
       zumindest in diesem Punkt mit Habeck einig: „Wenn Konzessionen ohne gültige
       Zuständigkeit vergeben wurden, ist dies nun rückwirkend geheilt.“
       
       Anders als das Ministerium plädiert Breyer dafür, der Öffentlichkeit
       frühzeitig zu sagen, auf welche Felder Unternehmen ein Auge geworfen haben.
       Denn es geht auch um Geld, betonten Vertreter von Bürgerinitiativen:
       „Allein die Tatsache, dass Fracking geplant ist, lässt den Wert von
       Grundstücken sinken – das sollte nicht nur die Eigentümer, sondern auch die
       Banken und Sparkassen interessieren“, meinte Sven Lange aus Pinneberg.
       
       Dass Fracking „eine Technologie mit erheblichem Risikopotential“ ist, steht
       sogar im Koalitionsvertrag des schwarz-roten Berliner Regierung. Abgelehnt
       wird aber nur der Einsatz umwelttoxischer Substanzen. Doch nicht-toxische
       Substanzen seien weder sauber noch gefahrlos, fürchten die Fracking-Gegner.
       Reinhard Knof, Sprecher der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager: „Im
       Vergleich zu früheren Fracks ist der Druck hundertfach höher.“
       Schwermetalle könnten ausgewaschen, Grundwasserschichten angebohrt werden.
       
       Da aber auch Grundwasser ein Bodenschatz ist, sei das Bergrecht ein Hebel,
       um Fracking zu verbieten, meint Knof. Es sei daher sinnvoll, wenn das Land
       das Verfahren wieder selbst in die Hand nimmt. Bei der Plenarsitzung
       nächste Woche berät der Landtag über einen Antrag der Piraten zu diesem
       Thema. Schon jetzt „wird die Möglichkeit evaluiert, die Aufgaben der LBEG
       auf eine schlewig-holsteinische Behörde zu übertragen“, teilte das
       Energieministerium mit.
       
       Überlegungen, die in Niedersachsen wenig erfreuen: „Wir halten es für den
       falschen Weg, einer fachlich kompetenten, gut aufgestellten und
       eingeführten Behörde wie der LBEG die Zuständigkeit zu entziehen“, erklärt
       ein Sprecher des SPD-Wirtschaftsministeriums, das die LBEG beaufsichtigt.
       Ein solcher Schritt könne auch nicht im Interesse des Nachbarlandes sein:
       „Es gibt in Schleswig-Holstein nur sehr wenige Fracking-Vorhaben. Es würde
       nur wenig Sinn machen, damit eine eigene Behörde zu betrauen“.
       
       Zugleich kündigt der Sprecher an, auf Kritik von Bürgerinitiativen an
       mangelnder Bürgerbeteiligung bei der Genehmigungspraxis der LBEG
       einzugehen: „Wir haben an dieser Stelle verstanden.“ Derzeit werde die
       Leitung der LBEG neu besetzt. „Mehr Bürgernähe herzustellen, wird klarer
       Auftrag der künftigen Spitze sein.“
       
       In Schleswig-Holstein treffen sich die Bürgerinitiativen Anfang Februar mit
       Minister Robert Habeck. Es ist eine der Dialogveranstaltungen, die bei
       vielen strittigen Themen ein Lieblingsmittel der Landesregierung sind.
       Diesmal gab es bereits im Vorfeld Ärger – einige Gruppen werden wohl gar
       nicht erst teilnehmen. Reinhard Knof allerdings schon: „Es ist wichtig, den
       Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.“ Auch Frank Tietgen, der in
       Kalübbe für die CDU im Gemeinderat sitzt, wird dabei sein: „Ich will genau
       wissen: Kann der Minister nicht mehr tun oder will er nicht mehr tun?“
       
       12 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geisslinger
   DIR Teresa Havlick
       
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