URI: 
       # taz.de -- U-Turn in der grünen Verkehrspolitik: Der Asphalt kommt
       
       > Schleswig-Holsteins Grüne wollen den Weiterbau der Autobahn 20 nicht
       > länger verhindern – falls der Bund die Elbquerung nach Niedersachsen
       > finanziert.
       
   IMG Bild: Die Ablehnung wackelt: Bagger für die A 20 können sich nun auch die Kieler Grünen vorstellen
       
       KIEL taz | Für Andreas Tietze ist die Richtung klar: „Wir müssen uns für
       neue Lösungen öffnen“, sagt der Verkehrsexperte der Grünen-Landtagsfraktion
       im schleswig-holsteinischen Landtag. Das bedeutet, dass die Partei ihren
       Widerstand gegen den Weiterbau der Küstenautobahn A 20 aufgeben könnte.
       „Konzepte sind in der Mache“, sagt Tietze: Um neuen Herausforderungen zu
       begegnen, sei eine Zukunftswerkstatt zum Thema Mobilität geplant.
       
       Die vielleicht größte Herausforderung ist, dass die schwarz-rote Koalition
       im Bund die Vollendung der A 20 und deren Kernstück – einen Elbtunnel
       zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen – in den vordringlichen
       Bedarf des neuen Bundesverkehrswegeplans einstellt. Dann nämlich, fürchten
       manche Grüne, könnten sie ihre Ablehnung der Autobahn nicht länger
       aufrechterhalten.
       
       Sollte die Finanzierung einer solchen Querung gesichert sein, sei es aus
       rein öffentlichen Mitteln, sei es mit privater Beteiligung und Mautpflicht,
       müsste auch der Anschluss an Land gebaut werden. „Wir werden aber nicht den
       zweiten Schritt vor dem ersten machen“, sagt Tietze: „Noch ist der
       Weiterbau nach Niedersachsen eine Phantomdebatte.“
       
       Im Koalitionsvertrag des Kieler Regierungsbündnisses aus SPD, Grünen und
       SSW ist festgelegt, dass die A 20 „in dieser Legislaturperiode“ nur
       zwischen Bad Segeberg und der A 7 gebaut werden soll. Eine westliche
       Fortführung der Autobahn wollen die schleswig-holsteinischen Grünen
       verhindern, um keinen Sachzwang zu schaffen für den Elbtunnel.
       
       Für den Weiterbau ist aber die SPD. Für sie ist die A 20 das
       zweitwichtigstes Verkehrsprojekt im Lande – hinter der Sanierung des
       Nord-Ostsee-Kanals und noch vor der Hinterlandanbindung eines
       Fehmarnbelt-Tunnels. „Die A 20 muss kommen“, sagen unisono Partei- und
       Fraktionschef Ralf Stegner, Ministerpräsident Torsten Albig und
       Verkehrsminister Reinhard Meyer.
       
       Mehr noch: Die Autobahn – „einschließlich westlicher Elbquerung“ – sei eine
       der „wichtigsten Verkehrsachsen für den gesamten nordeuropäischen Raum“.
       Von der A 20 erwarte man „bedeutende wirtschaftliche Impulse für
       Schleswig-Holstein und ganz Norddeutschland“, heißt es etwa auf der
       Homepage des Kieler Verkehrsministeriums – Koalitionsvertrag hin oder her.
       
       Am 6. November 2013 allerdings hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in
       Leipzig einen vorläufigen Baustopp verhängt: Der Planfeststellungsbeschluss
       für den zehn Kilometer langen A 20-Abschnitt von Weede bis Wittenborn
       (Kreis Segeberg) sei rechtswidrig, weil der Schutz eines großen
       Fledermaus-Bestandes in den Segeberger Kalkhöhlen nicht hinreichend
       berücksichtigt worden sei.
       
       Kiels Verkehrsminister Meyer sprach nach dem Urteil von einem Rückschlag:
       Die notwendigen Planänderungen würden mindestens zwei Jahre in Anspruch
       nehmen. Die Grünen hingegen freuten sich: Wieder mal müsse „ein Gericht
       dafür sorgen, dass StraßenplanerInnen die Gesetze beachten“, kommentierte
       ihre Umweltpolitikerin Marlies Fritzen.
       
       Auch Meyers Vorschlag, übergangsweise den A 20-Ausbau weiter westlich
       anzugehen, lehnte der Koalitionspartner ab: „Ich sehe da keinen
       Gestaltungsspielraum“, stellte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben klar:
       „Der Koalitionsvertrag gilt.“
       
       Aber nur noch gut drei Jahre, bis zur nächsten Landtagswahl. Die dann als
       Mitregierende für die SPD möglicherweise bereitstehende CDU ist mindestens
       so entschieden für den Bau der Autobahn wie die eventuellen kleinen
       Ergänzungspartner SSW und FDP. Die Grünen stünden allein auf dem
       Standstreifen.
       
       Und um das zu verhindern, müsse „die Balance zwischen Ökologie und Ökonomie
       neu justiert werden“, sagt Tietze. Noch vor der Sommerpause soll darüber
       ein Parteitag diskutieren.
       
       8 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
       ## TAGS
       
   DIR ADAC-Affäre
   DIR Nabu
   DIR Autobahn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Reisezeit ist Pannenzeit: Abschleppen als Job
       
       Seit der Wende sind gestrandete Autos das Betätigungsfeld von Harald
       Peithmann. Jetzt rollt die Reisewelle wieder. Gut für‘s Geschäft.
       
   DIR Verkehr: Autobahnen ohne Grund
       
       Niedrigere Verkehrsprognosen lassen Autobahngegner im Norden hoffen. Vor
       allem für die A 20 wird der Bedarf nach unten korrigiert.
       
   DIR Warnung von Umweltverbänden: „TTIP bedroht unsere Standards“
       
       Wenige Tage vor der Wahl zum Europaparlament: Die EU denkt nur an Wachstum
       und Deregulierung – das wurmt Nabu, BUND & Co.
       
   DIR Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts: Stopp der A 14 weckt Hoffnungen
       
       Das Bundesverwaltungsgericht erklärt die Nordverlängerung der
       „Kanzlerautobahn“ für rechtswidrig. So mancher hofft auf ein Ende.