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       # taz.de -- Kakaobohnen werden knapp: Chinas große Lust auf Schokolade
       
       > Die wachsende Nachfrage übersteigt voraussichtlich schon bald das Angebot
       > an der Schokobohne. Rohstoff-Spekulanten heizen die Preise an.
       
   IMG Bild: Für dieses Hüftgold muss bald eine Menge geblecht werden.
       
       PEKING taz | In China verändern sich die Sitten: Während früher ein Beutel
       mit Nüssen als Geschenk zum chinesischen Neujahrsfest völlig ausreichte,
       muss es heute die in einer edlen Holzschatulle verpackte Pralinenmischung
       des belgischen Schokoladenherstellers Godiva sein. Das hat inzwischen
       Auswirkungen auf den Weltmarkt.
       
       Derzeit herrscht die längste Phase von Schokobohnen-Knappheit seit 50
       Jahren. Schuld an dieser Entwicklung: Die Chinesen haben ihre Vorliebe für
       die Süßigkeiten entdeckt.
       
       Nach Angaben der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) mit Sitz in
       London wird die weltweite Kakaonachfrage das Angebot in den zwölf Monaten
       bis zum 1. Oktober 2014 um rund 70.000 Tonnen übersteigen. Diese Lücke
       werde bis Ende 2018 bestehen, glaubt ICCO-Statistikchef Laurent Pipitone.
       Diese hohe Nachfrage hat unmittelbare Folgen auf den Kakaopreis. Die
       US-Nachrichtenagentur Bloomberg hat 14 Schokoladenhändler befragt: Sie
       rechnen allein im kommenden Jahr mit Preissteigerungen um rund 15 Prozent.
       
       Der größte Nachfragezuwachs findet derzeit in China statt. Der Verkauf von
       Schokolade hat sich in der Volksrepublik in den vergangenen zehn Jahren
       mehr als verdoppelt. Die Verkaufszahlen vor allem in die Höhe getrieben hat
       die ausgeprägte Geschenkkultur der Chinesen. Aufwändig und möglichst
       glitzernd verpackt gehören die kakaohaltigen Genussmittel inzwischen zu den
       beliebtesten Mitbringseln. Der durchschnittliche Chinese isst derzeit 200
       Gramm Schokolade im Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der
       Pro-Kopf-Verbrauch bei 9,5 Kilo.
       
       ## Handel beruht auf Spekulation
       
       Diese Entwicklung in Fernost haben allerdings auch die Finanzmärkte
       erkannt. Mike Master, Fondsmanager von Masters Capital, verweist darauf,
       dass gar nicht die vielen süßen Mäuler in China für die rasant steigenden
       Preise verantwortlich sind – oder höchstens indirekt –, sondern Spekulanten
       an den Rohstoffbörsen. Denn auch diese hätten erkannt, dass die Chinesen
       künftig mehr verbrauchen werden. In Erwartung einer steigenden Nachfrage
       hätten deshalb vor allem Hedgefonds-Manager mit Rohstofffonds im Depot
       Kakao gekauft. Sie heizten damit die Preise auf den Weltmärkten zusätzlich
       an. „Der meiste Handel beruht inzwischen auf Spekulation“, sagt Master. Er
       schätzt den Anteil auf 70 bis 80 Prozent.
       
       Auch die Welternährungsorganisation FAO hat schon in der Vergangenheit auf
       die paradoxe Situation hingewiesen, dass bei spekulativen Ausschlägen von
       Nahrungsmittelpreisen Menschen hungern, obwohl auf dem Planeten genug
       produziert wird.
       
       Im Gegensatz zu armen Entwicklungsländern hat Peking jedoch ein mächtiges
       Mittel in der Hand: Das chinesische Landwirtschaftsministerium kann
       Lebensmittel weltweit einkaufen und im Inland auf den Markt werfen. Die
       Mittel dazu sind vorhanden: China sitzt auf Devisenreserven im Wert von
       rund 3,7 Billionen US-Dollar, die sie zum Ankauf unter anderem von
       Agrarprodukten verwenden kann. Im Fall von Kakaobohnen hat die chinesische
       Führung jedoch noch keinen Bedarf gesehen zu intervenieren.
       
       7 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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