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       # taz.de -- Neuer Film mit Robert Redford: Überlebenskampf auf offenem Meer
       
       > Das Boot zerstört, die Funkanlage defekt: Regisseur J. C. Chandor lässt
       > seinen Held allein auf hoher See. Ein stiller Kampf – Redford braucht
       > nicht zu schreien.
       
   IMG Bild: Existenziell auf sich allein gestellt: Robert Redford in „All Is Lost“.
       
       „Er hat eine unkorrumpierbare Männlichkeit, die sich nicht beweisen muss.“
       So schön und treffend beschrieb Paul Newman die Ausstrahlung seines
       Kollegen und besten Freundes Robert Redford. Es waren die siebziger Jahre,
       in denen Redford seine virile, integre Imago zum linksliberalen Gewissen
       von Hollywood überformte. Der Mann, der mit seinem klassischen Profil, dem
       rotblonden Schopf und stets hochgekrempelten Hemdsärmeln selbst als
       Inkarnation des amerikanischen Traums erschien, hinterfragte mit seinen
       Rollen konsequent ebendiesen Traum.
       
       In Sydney Pollacks „Die drei Tage des Condor“ (1975) sieht er sich mit
       einem kafkaesken Geheimdienstsystem konfrontiert, wird als CIA-Mitarbeiter
       von den eigenen Leuten verfolgt. In „Der elektrische Reiter“ (1979) spielt
       er einen ehemaligen Rodeo-Star, der Werbung für Cornflakes macht. Mit einem
       millionenteuren Pferd bricht er noch einmal aus und gibt den letzten
       Lonesome Cowboy in einem Land, das zugleich schrecklich schön und
       abgewrackt ist.
       
       Nicht nur in diesen Filmen war Redford stets auf der Flucht und dabei
       existenziell auf sich allein gestellt. Im Laufe der Jahrzehnte und auf
       weiteren einsamen Wegen entwickelte er eine wunderbare Routine darin, seine
       Haut zu retten, mit schlafwandlerischer Sicherheit zu wissen, was in
       brenzligen Situationen zu tun ist.
       
       Kürzlich konnte er in „Die Akte Grant“ als ehemaliges Mitglied einer linken
       Terrorgruppe zeigen, dass er noch all die alten Guerillatricks auf Lager
       hat.
       
       ## Ein Einpersonenstück
       
       Und in seinem neuen Film können wir ihm bei einem buchstäblichen Kampf
       gegen den Untergang zusehen: In J. C. Chandors „All Is Lost“, einem
       Einpersonenkammerspiel auf dem offenen Meer, spielt Robert Redford einen
       Skipper, dessen Segelyacht auf einem Trip durch den Südostpazifik
       beschädigt wird. Als er nach einem Nickerchen wach wird, muss er
       feststellen, dass sein Boot von einem Container gerammt und aufgeschlitzt
       worden ist – es muss schon ein Container sein, denn ein wenig
       Zivilisationskritik gehört bei Redford nun mal dazu.
       
       Zwei Stunden lang – und ohne ein Wort zu sprechen – tritt der Segler gegen
       die Elemente an, gegen die Wellen, den Wind und gegen die eigene
       Verzweiflung. Es ist ein erbitterter Überlebenskampf, der im Wesentlichen
       aus präzisen und routinierten Handgriffen besteht: Chandors Held versucht,
       die durchwässerte Funkanlage wieder auf Vordermann zu bringen, pumpt das
       Boot aus, repariert die Segel und stabilisiert den großen Mast.
       
       Als Zuschauer schaut man ihm über die Schulter, fragt sich, wie er wohl dem
       heraufziehenden Sturm begegnen wird oder was er wohl mit dem Netz, das er
       sorgfältig mit Leim verklebt hat, im Sinn hat. Später, wenn es getrocknet
       ist, wird er versuchen, das Leck damit zu flicken. Auch der zur
       Verdunstungsanlage umgebaute Plastikkanister funktioniert und liefert
       frisches Trinkwasser.
       
       ## Glatt rasiert in den Untergang
       
       Letztlich wird Redford als Skipper hier in einen vorzivilisatorischen
       Zustand zurückgeworfen. Aber ein Mann wie Robert Redford braucht bei diesem
       archaischen Kampf weder zu schreien noch zu schwitzen, noch zu grunzen.
       Auch im Angesicht des Todes muss er seine Männlichkeit nicht unter Beweis
       stellen. Er führt seinen Kampf still, angespannt, pragmatisch, zupackend,
       lässt seine Verzweiflung nicht nach außen dringen, sondern macht das Drama
       wie in seiner bisherigen Filmografie mit sich selbst ab.
       
       Geradezu zärtlich geht J. C. Chandors Film dabei mit dem Alter seines
       Helden um. Es braucht halt ein Weilchen, bis Redford den Mast nach oben
       geklettert ist, um ein Segel zu hissen. Dennoch macht er immer noch in
       allen Lebenslagen eine gute Figur. Und es gehört schon eine schöne Ironie
       zu diesem Umgang mit dem eigenen Aussehen: Im Angesicht des drohenden
       Sturmes packt der Skipper sein Rasierzeug aus. Wenn schon, dann glatt
       rasiert in den Untergang.
       
       8 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Leweke
       
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