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       # taz.de -- EEG-Freistellung für Unternehmen: Um die Umlage herumgetrickst
       
       > Anfang des Jahres stiegen die Strompreise. Profitiert haben davon die
       > Versorger und 2.090 Firmen, die von der EEG-Umlage ausgenommen wurden.
       
   IMG Bild: Verdient oder getrickst befreit? Stahlwerk in Duisburg
       
       BERLIN taz | Für rund 9 Millionen deutsche Haushalte begann auch das Jahr
       2014 mit einer schlechten Nachricht. Denn jeder dritte Stromanbieter hat
       zum Jahreswechsel die Preise erhöht; im Schnitt lag der Anstieg nach
       Berechnungen verschiedener Internet-Vergleichsportale bei gut 3 Prozent –
       was etwa 0,8 Cent pro Kilowattstunde entspricht.
       
       Die deutsche Industrie startete hingegen mit guten Neuigkeiten ins Jahr:
       Die Zahl der Unternehmen, die von den Kosten der Energiewende weitgehend
       befreit sind, erreicht 2014 einen neuen Höchststand. Nachdem sie bereits in
       der Vergangenheit stark zugenommen hatte, stieg die Zahl der Befreiten nach
       Informationen der taz nun um 21,5 Prozent auf 2.090 Firmen.
       
       Grund dafür ist eine im Jahr 2012 unter der schwarz-gelben Regierung
       beschlossene Aufweichung der Kriterien: Seitdem können Unternehmen schon ab
       einem jährlichen Stromverbrauch von 1 Gigawattstunde von der EEG-Umlage
       befreit werden, mit der der Ökostrom-Ausbau finanziert wird; zuvor lag der
       Schwellenwert bei 10 Gigawattstunden.
       
       Auch der notwendige Anteil des Stromverbrauchs an der Wertschöpfung war von
       15 auf 14 Prozent gesenkt worden. Neben Stahlwerken und Aluminiumhütten
       profitieren seitdem auch immer mehr Futtermittelerzeuger, Molkereien und
       Verpackungshersteller von den Privilegien.
       
       ## Tricksen um die Schwellenwerte zu erreichen
       
       Zudem ist nach Auskunft des für die Befreiung zuständigen Bundesamts für
       Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) „eine verstärkte Tendenz
       ersichtlich, dass versucht wird, bestehende Gestaltungsspielräume (zum Teil
       auch missbräuchlich) auszunutzen“. Dabei gibt es nach Informationen von
       Branchen-Insidern verschiedene Strategien: Manche Firmen lagern ihre
       energieintensiven Prozesse in eigene Töchter aus, um dort die
       Schwellenwerte für die Befreiung zu erreichen; andere setzen Leiharbeiter
       ein, weil deren Kosten – anders als die Löhne von Festangestellten – bei
       der Wertschöpfung nicht mitzählen. Einige Unternehmen verschwenden auch
       absichtlich Strom, um die Befreiung zu erreichen.
       
       Vom ursprünglichen Anliegen, mit den Ausnahmen jene Unternehmen zu
       entlasten, die aufgrund steigender Strompreise ansonsten im internationalen
       Wettbewerb Nachteile hätten, ist kaum etwas geblieben. Schon lange spielt
       es bei der Bewilligung der Vergünstigungen keine Rolle mehr, ob ein
       Unternehmen internationale Konkurrenz hat – mit absurden Konsequenzen: So
       sparte der Energiekonzern Vattenfall ausgerechnet für seine klima- und
       landschaftszerstörende Braunkohleförderung 2013 knapp 70 Millionen Euro –
       obwohl keinerlei Braunkohle im- oder exportiert wird.
       
       Die beiden Nachrichten – die steigenden Strompreise für viele Haushalte und
       die wachsenden Ausnahmen für die Industrie – hängen dabei unmittelbar
       zusammen. Nach Berechnungen des Bafa läge die EEG-Umlage für die
       Verbraucher, die 2014 rund 6,2 Cent pro Kilowattstunde beträgt, um 1,4 Cent
       niedriger, wenn es keinerlei Befreiungen für die Industrie gäbe. Allein der
       Anstieg der Ausnahmen von 2013 auf 2014 macht rund 0,3 Cent pro
       Kilowattstunde aus.
       
       ## Gewinn für Stromversorger
       
       Auch der Rest des jüngsten Strompreisanstiegs landet – anders als in den
       Begründungsschreiben kommuniziert – kaum bei den Betreibern von
       Ökostromanlagen, sondern zum Großteil als Gewinn bei den Stromversorgern.
       Denn während alle staatlichen Umlagen inklusive Steuern zum Jahreswechsel
       um 0,9 Cent stiegen, sanken gleichzeitig die Strompreise an der Börse. Wie
       stark diese Preise für einzelne Anbieter sinken, hängt davon ab, wie lange
       im Voraus sie ihren Strom ordern.
       
       Nach Berechnungen des Beratungsunternehmens Energy Brainpool liegt der
       Rückgang zum Jahreswechsel aber bei mindestens 0,6 Cent pro Kilowattstunde.
       Doch dies geben viele Anbieter nicht an ihre Kunden weiter. Versorger, die
       den Preis um mehr als 0,3 Cent erhöht haben, bereichern sich in der Regel
       an ihren Kunden – abgesehen von wenigen Ausnahmen, bei denen die regional
       unterschiedlichen Netzentgelte deutlich stiegen.
       
       Die Politik scheint dem nichts entgegensetzen zu wollen. Während die SPD im
       Wahlkampf noch mit Preiskontrollen gegen überhöhte Tarife vorgehen und die
       Industrie-Ausnahmen zumindest etwas einschränken wollte, war davon im
       Koalitionsvertrag keine Rede mehr. Stattdessen einigten sich Union und SPD
       darauf, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zu bremsen.
       
       Während sich die konventionellen Stromversorger dadurch über eine höhere
       Auslastung ihrer Kohlekraftwerke freuen können, haben die Stromkunden davon
       kaum etwas: Durch das Abbremsen der Energiewende sinkt der Strompreis nach
       Berechnung des Forums Ökologische Marktwirtschaft im nächsten Jahr um
       bestenfalls 0,17 Cent pro Kilowattstunde.
       
       3 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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