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       # taz.de -- Michail Chodorkowski in Berlin: Ziellos in Berlin
       
       > Der Kremlkritiker sagt beim ersten Auftritt in Freiheit, er wolle weder
       > Politik noch Geschäfte machen. Aber er will sich für politische Gefangene
       > einsetzen.
       
   IMG Bild: Von den Pressefotografen belagert: Putingegner Michail Chodorkowski im Berliner Mauermuseum.
       
       BERLIN taz | Wer sich bei der Pressekonferenz am Sonntagmittag im Berliner
       Mauermuseum von dem ehemaligen Ölmagnaten und Kremlgegner Michail
       Chodorkowski konkrete Äußerungen über dessen weitere Zukunftspläne erhofft
       hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen erläuterte er vor mehreren hundert
       Journalisten und in Anwesenheit seiner schwer erkrankten Eltern, was er
       nicht mehr zu tun gedenke. Er wolle keine Politik mehr machen, denn der
       Kampf um Macht sei seine Sache nicht.
       
       Auch eine Rückkehr ins Business komme für ihn nicht in Frage. Schließlich
       habe er alles erreicht und eine Wiederholung seines Erfolges interessiere
       ihn nicht. Folglich werde er auch nicht um Anteile seines früheren
       Ölkonzerns Yukos kämpfen.
       
       Auch wo er künftig leben wolle, wisse er noch nicht, erklärte Chodorkowski.
       Sein deutsches Visum sei ein Jahr lang gültig. Eine Rückkehr nach Russland
       sei keine Option. Zwar sei ihm diese Möglichkeit vom Pressesekretär des
       russischen Präsidenten Wladimir Putin zugesichert worden.
       
       „Aber ich habe derzeit keine Garantien dafür, dass ich wieder ausreisen
       kann – wann und wohin ich will“, sagte Chodorkowski. „Ich bitte Sie um
       Verständnis, aber ich bin erst 36 Stunden in Freiheit und muss mich erst
       mit meinen Freunden beraten“, fügte er hinzu.
       
       ## Noch acht Monate
       
       Der heute 50-Jährige war Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns
       Yukos. 2003 war er nach öffentlicher Kritik an Russlands Präsidenten
       Wladimir Putin und der Unterstützung der Opposition festgenommen und in
       zwei umstrittenen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und
       Öldiebstahls verurteilt worden. Regulär wäre seine mehrfach reduzierte Haft
       im August 2014 zu Ende gewesen.
       
       Am Freitag hatte Präsident Putin Chodorkowski nach zehn Jahren Haft
       begnadigt, dieser wurde umgehend aus dem Gefängnis entlassen und reiste
       überraschend nach Berlin, wo er vom ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich
       Genscher (FDP) empfangen wurde.
       
       Die Organisation der Pressekonferenz ließ einiges zu wünschen übrig. Die
       geschäftsführende Vorsitzende und Direktorin des Mauermuseums, Alexandra
       Hildebrandt, war sichtlich überfordert. Kurzzeitig schien ihr die Kontrolle
       über das Geschehen komplett zu entgleiten, als es zu chaotischen Szenen
       unter den Fotografen kam, die versuchten, die besten Plätze zu sichern. Die
       Eingangstür musste kurzzeitig verbarrikadiert werden, als Dutzende Personen
       trotz Überfüllung des Saales sich lautstark Einlass verschaffen wollten.
       
       ## Es gibt noch andere politische Gefangene
       
       Mehrfach machte Chodorkowski deutlich, dass er kein Symbol dafür sei, dass
       es in Russland keine politischen Gefangenen mehr gebe. Er wolle vielmehr
       ein Symbol dafür sein, dass Anstrengungen der Zivilgesellschaft zur
       Freilassung von Menschen führen könnten, mit der niemand rechne. Auch
       persönlich wolle er sich in Zukunft für politische Gefangene einsetzen. Er
       sprach sich zudem auch für eine Freilassung der inhaftierten ukrainischen
       Exministerpräsidentin Julia Timoschenko aus.
       
       Zu seinem Gnadengesuch sagte Chodorkowski, er habe sich fünf Jahre lang
       geweigert, ein entsprechendes Gesuch zu unterschreiben, weil das ein
       Schuldeingeständnis gewesen wäre. Das sei jetzt aber keine Bedingung Putins
       mehr gewesen. Davon habe er erstmals am 12. November erfahren.
       
       Nach den genauen Umständen seiner Entlassung befragt, sagte Chodorkowski,
       auch ihm seien noch nicht alle Details bekannt. Er sei um zwei Uhr morgens
       im Lager geweckt und über seine Freilassung informiert worden.
       
       22 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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