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       # taz.de -- Behandlung von Diplomatin angeprangert: Indiens Elite ist empört
       
       > Die Festnahme einer indischen Diplomatin in New York zeigt kulturelle
       > Spannungen: Das Verhältnis Indiens zu den USA gilt als belastet.
       
   IMG Bild: Indische Vergeltung gegen US-Diplomaten: Schützende Betonblöcke werden vor der US-Botschaft in Delhi entfernt.
       
       BERLIN taz | „Big brother, entwürdige unsere Schwester nicht.“ Mit diesem
       Banner sind im indischen Hyderabad Demonstranten am Dienstag vor dem
       US-Konsulat aufmarschiert.
       
       Vor US-Vertretungen in Indien räumten die Behörden derweil die
       Betonbarrikaden weg, die vor Autobomben schützen sollen. US-Diplomaten
       sollen in Indien keine Privilegien mehr erhalten, weil US-Behörden nach
       indischem Empfinden Indiens Vizekonsulin in New York mies behandelt haben.
       
       Der Stolz der indischen Elite ist verletzt, seit vergangenen Donnerstag die
       Vizekonsulin Devyani Khobragade (39) in New York vor der Schule ihrer
       siebenjährigen Tochter festgenommen und in Handschellen abgeführt wurde.
       Auf der Wache musste sie sich für eine Durchsuchung wie eine
       Schwerkriminelle ausziehen. Danach wurde sie nach eigenen Angaben mit
       Drogendealern und Prostituierten in eine Zelle gesteckt. Inzwischen erhielt
       sie gegen 250.000 Dollar Kaution Haftverschonung.
       
       Vorgeworfen werden der Diplomatin Visavergehen. Sie habe falsche Angaben
       gemacht, um ein Arbeitsvisum für ihr indisches Kindermädchen zu bekommen
       und habe auch gegen den US-Mindestlohn verstoßen.
       
       ## Verstoß gegen US-Mindestlohn
       
       In Medienberichten heißt es, Khobragade habe der Hausangestellten statt wie
       angegeben 4.500 Dollar Gehalt nur rund 540 Dollar pro Monat gezahlt. Mit
       kaum mehr als drei Dollar pro Stunde verstoße das gegen den gesetzlichen
       Mindestlohn in den USA.
       
       Für die falschen Visaangaben drohen der Diplomatin bis zu zehn Jahre Haft,
       für den Verstoß gegen den Mindestlohn weitere fünf. Khobragade, die als
       früherer Presseattaché in Berlin der taz persönlich bekannt ist, plädierte
       auf nicht schuldig und pochte auf ihre diplomatische Immunität.
       
       Die US-Behörden argumentieren, Immunität genieße sie im Rahmen ihrer
       diplomatischen Tätigkeit, aber nicht als Arbeitgeberin in ihrem
       Privathaushalt.
       
       ## Wie ihr uns, so wir euch
       
       Indiens politisches Establishment ist erbost, pocht auf Gleichbehandlung
       und will es den USA solange mit gleicher Münze heimzahlen, bis diese ihren
       Fehler einsehen. Im Parlament in Delhi überboten sich am Mittwoch Regierung
       und Opposition darin, von den USA eine Entschuldigung für die entwürdigende
       Behandlung der Diplomatin zu fordern.
       
       Das Außenministerium bestellte die US-Botschafterin ein. Regierung und
       Opposition liessen bisher demonstrativ mehrere Treffen mit einer Delegation
       des US-Congresses platzen.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass sich indische Politiker, die in ihrer
       Heimat große Privilegien genießen, über entwürdigende Behandlungen in den
       USA beschweren. Auch werden in vielen Diplomatenhaushalten, auch in
       Deutschland, Angestellte ausgebeutet.
       
       Doch uscheint den US-Behörden, die ihr Vorgehen als ganz „normales
       Prozedere“ bezeichnen, auch das Augenmaß und Sensibilität zu fehlen. „Im
       Kern geht es um eine wirtschaftliche Kluft“, kommentiert Indiens Hindustan
       Times. „Eine Hausangestellte in Manhattan muss teurer bezahlt werden als
       ein indischer Diplomat in Manhattan. Solange dies der Fall ist, wird jeder
       indische Diplomat das Gesetz brechen, wenn er in einem Hochlohnland lebt.“
       
       Die große Empörung jetzt ist dadurch zu erklären, dass Indiens Elite stets
       allergisch auf als neokolonial empfundenes Verhalten reagiert und zugleich
       selbstbewusst und stolz genug ist, um sich das nicht bieten zu lassen.
       
       Andererseits stellt sich die Frage, ob es für Indiens Außenpolitik klug
       ist, einen offenbar privaten Konflikt zwischen einer Diplomatin und ihrer
       Hausangestellten zu einem internationalen Konflikt mit einer Supermacht
       eskalieren zu lassen.
       
       ## Interkulturelle Gratwanderung
       
       Ironischerweise ist der New Yorker Richter, der das Vorgehen gegen
       Khobragade anordnete, selbst indischer Abstammung. Und die Diplomatin ist
       mit einem indischstämmigen US-Amerikaner verheiratet, der eigens für die
       Ehe seine US-Staatsbürgerschaft aufgeben musste, weil dies die Vorschriften
       des indischen Außenamts verlangen. Diese machte Khobragade am Mittwoch zur
       Mitarbeiterin der UN-Mission in New York. Denn als solche genießt sie
       größere diplomatische Privilegien.
       
       Derweil wird in Indien überlegt, künftig Hausangestellte für die
       Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen als staatliche Honorarkräfte
       anzustellen. Damit entfielen sie nicht mehr unter die Mindestlohnregelungen
       der Gaststaaten, sondern unterstünden nur indischen Gesetzen.
       
       18 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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