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       # taz.de -- Weltmeisterschaft im Frauenhandball: Frühreife Werferinnen
       
       > Die deutschen Handballerinnen stehen bei der WM in Serbien trotz
       > Personalsorgen überraschend im Viertelfinale. Das verdanken sie auch
       > ihrem Mentalcoach.
       
   IMG Bild: Jubel, Trubel, Deutschland: Die Spielerinnen feiern den Viertelfinaleinzug.
       
       NOVI SAD taz | Die deutschen Handballfrauen nutzten den Luxus von zwei
       Ruhetagen, um ihrer WM-Mission in Serbien ein paar touristische Aspekte
       abzugewinnen. Ein wenig Regeneration, ein wenig Training, aber vor allem
       mal raus aus dem Mannschaftshotel in Novi Sad.
       
       Das hatten sich die Spielerinnen verdient. Mit 29:21 hatte das Team von
       Bundestrainer Heine Jensen am Sonntagabend Afrikameister Angola abgefertigt
       und war ins Viertelfinale dieser WM eingezogen. Und hätten nicht Pfosten
       oder Latte elf Mal im Wege gestanden, das Ergebnis wäre noch höher
       ausgefallen. „Handball ist nie perfekt, aber das haben meine Mädels
       ordentlich gemacht“, sagte Jensen, Däne in Diensten des Deutschen
       Handballbundes.
       
       Dass die DHB-Auswahl nun in der Runde der letzten Acht dieser WM steht und
       am Mittwochabend auf Dänemark trifft (Anwurf 20.15 Uhr), war nicht zu
       erwarten. Die Vorzeichen für diese Welttitelkämpfe standen nicht günstig.
       Isabel Klein, Mannschaftkapitänin und Gattin von Nationalspieler Dominik
       Klein vom THW Kiel, und Torhüterin Katja Schülke hatten sich frühzeitig in
       Erwartung ihres Nachwuchses beim Coach abgemeldet.
       
       Und als sich dann auch noch Kerstin Wohlbold, Spielmacherin vom Deutschen
       Meister Thüringer HC, im vorletzten Testspiel gegen Schweden in Hamm das
       Kreuzband riss, schienen die Personalsorgen gewaltig. „Wir waren alle
       ziemlich geschockt, als das passierte, sagt Nadja Nadgornaja. „Aber wir
       haben uns geschworen, dass wir das als Team lösen werden.“
       
       Die Rückraumspielerin vom Deutschen Meister Thüringer HC fasste treffend
       zusammen, was mit der Mannschaft passiert ist. „Wir haben einen großartigen
       Teamgeist entwickelt.“ Was Kerstin Wohlbold bis zu ihrer Verletzung häufig
       allein lösen musste, das gelingt nun mit Anna Loerper, Kim Naidzinavicius
       und Shenja Minevska gleich drei Spielmacherinnen im Wechsel.
       
       ## Mehr Qualität auf den Halbpositionen
       
       Vor allem die 22-jährige Naidzinavicius, die in der Bundesliga für Bayer
       Leverkusen spielt, nutzte das Plus an Einsatzzeit bei dieser WM und deutete
       in jedem Spiel ihr großes Potenzial an. Und auch auf den Halbpositionen ist
       mehr Qualität zu erkennen als noch bei der Weltmeisterschaft vor zwei
       Jahren in Brasilien. Damals musste die deutsche Mannschaft bereits nach der
       Vorrunde die Segel streichen. „Wir haben eine Mannschaft mit großer
       Perspektive“, sagt Kreisläuferin Anja Althaus.
       
       Möglicherweise liefert das Ensemble vieler junger Spielerinnen schon bei
       dieser WM den Nachweis, dass es vor der Zeit erstarkt ist. Der Masterplan
       des Verbands war darauf ausgelegt, für Olympia 2016 in Rio und die WM 2017
       in Deutschland eine Mannschaft zu formen, die um Titel und Medaillen
       mitspielen kann.
       
       Das war der Auftrag, den Heine Jensen vom DHB erhielt und für den sein
       Vertrag unmittelbar vor der WM bis 2017 verlängert wurde. „Das sind unsere
       langfristigen Ziele“, sagt Georg Clarke, Vizepräsident des DHB. „Aber
       natürlich nehmen wir alles mit, was auf diesem Weg liegt“. Der DHB könne es
       sich überhaupt nicht leisten, eine WM lediglich als Vorbereitungsturnier zu
       betrachten.
       
       Nach bisher sechs Siegen in sechs Spielen könnte jener Weg der deutschen
       Mannschaft bei dieser WM noch lang sein. Das haben insbesondere die beiden
       Vorrundenspiele gegen Rumänien (26:23) und gegen Ungarn (27:26) gezeigt.
       Beide Kontrahenten gehören international zur Weltspitze.
       
       ## Vier-Tore-Rückstand umgebogen
       
       „Vor zwei Jahren“, sagt Laura Steinbach, seit Sommer in Ungarn bei FTC
       Budapest unter Vertrag, „hätten wir solche Spiele noch verloren“. Heute
       indes biegt dieses Team einen 4-Tore-Rückstand – siehe Ungarn – noch um und
       strahlt mentale Stärke aus. Das gilt insbesondere für Susann Müller, die
       mit 50 Treffern unangefochten die Torschützenliste der Weltmeisterschaft
       anführt und bei zwölf Versuchen vom Siebenmeterstrich elf Mal erfolgreich
       war.
       
       Verantwortlich dafür ist ein Mann namens Lothar Linz. Der Mentaltrainer,
       der die Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann auf ihrem Weg
       zur olympischen Goldmedaille begleitete und davor erfolgreich mit der
       Hockeynationalmannschaft und der Fechterin Britta Heidemann arbeitete,
       beschäftigt sich seit 2011 mit den deutschen Handballfrauen.
       
       Linz: „Nach der enttäuschenden WM in Brasilien mussten wir zunächst einmal
       ein funktionierendes Teamgefüge schaffen.“ Damals, so sagt er, habe sich
       die Mannschaft auch gut gefühlt, sei aber früh ausgeschieden und deshalb
       schwer irritiert gewesen: „Da war etwas kaputt gegangen.“
       
       Das scheint mittlerweile wieder repariert. „Früher war Panik, Panik, Panik,
       wenn es nicht lief“, sagt Anja Althaus. Heute behält das Team auch in
       schwierigen Situationen die Ruhe und bewahrt einen kühlen Kopf. Wie Linz
       das gemacht hat? „Mit Reden“, sagt Althaus. „Frauen reden doch so gern.“
       
       Der Bundestrainer war es, der vor etwa zweieinhalb Jahren Kontakt zu Linz
       aufnahm und ihn bat, für den DHB tätig zu werden. Seitdem ist Linz
       regelmäßig bei der Nationalmannschaft und arbeitet kontinuierlich mit den
       Spielerinnen. Selbstvertrauen hat er ihnen in jedem Fall bereits
       eingeimpft. Mit Blick auf das kommende Viertelfinale sagt Anja Althaus:
       „Wir sind hier noch lange nicht fertig.“
       
       18 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arnulf Beckmann
       
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