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       # taz.de -- CDU in der Großen Koalition: Eine genderpolitische Sensation
       
       > Die SPD hat nur scheinbar bei den Koalitionsverhandlungen gesiegt.
       > Merkels Ministerriege liefert Kontinuität – und eine
       > Verteidigungsministerin.
       
   IMG Bild: „Hallo? Schatz, ich bin's, die Ursula… jaja, das Verteidigungsministerium ist es geworden, aber deswegen rufe ich nicht an. Kannst du bitte noch den Müll rausbringen? Danke!“
       
       BERLIN taz | Sie hat es mal wieder geschafft. Ursula von der Leyen, die zur
       Verliererin der Kabinettsneubildung zu werden drohte, hat [1][einen Coup
       gelandet] und wird die erste Frau an der Spitze des
       Verteidigungsministeriums in der Geschichte der Bundesrepublik sein.
       
       Dieses Novum ist dem Ehrgeiz der Ministerin geschuldet – aber auch dem
       strategischen Geschick der Kanzlerin. Angela Merkel hat in der
       Ministerriege der CDU eine komplexe Rochade vorgenommen, um ihre CDU für
       die Regierungsarbeit, aber auch für die nächste Wahl 2017 bestens in
       Stellung zu bringen.
       
       Um 18.18 Uhr stellte Merkel der Presse im Konrad-Adenauer-Haus ihre
       Spitzenriege vor. Als Letzte an diesem ereignisreichen Sonntag. SPD und CSU
       hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Namen schon bekannt gegeben. Schnell ist
       klar, dass die CDU so schlecht nicht abgeschnitten hat, obwohl oft von
       großen Erfolgen der SPD beim Personal- und Ressortpoker die Rede war.
       Nüchtern und schnell geht Merkel die Namen durch, wie es ihre Art ist.
       
       Besonders wichtig wird ihr sein, dass sie ihre Europapolitik mit bewährtem
       Personal fortsetzen kann. Die Bewältigung der Euro-Krise und der Erhalt des
       deutschen Reichtums ist längst zur Kernaufgabe ihrer Kanzlerschaft
       geworden. Entscheidend ist das mächtige Finanzressort. Wolfgang Schäuble
       kann wegen des Verzichts der SPD Minister bleiben, ein altgedienter
       Vollprofi, mit dem Merkel gut zusammenarbeitet.
       
       ## Beste Kontakte in fast alle Parteien
       
       Als Kanzleramtschef hält ihr künftig Peter Altmaier, der ehemalige
       Umweltminister, den Rücken frei. Altmaier pflegt aus seiner Zeit als
       Fraktionsgeschäftsführer beste Kontakte in fast alle Parteien, er ist
       zuverlässig, verbindlich und genießt in der Union einen guten Ruf. Er hätte
       gerne einen Ministerposten behalten, ist aber loyal genug, um einen Schritt
       zurückzutreten.
       
       Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für Merkel: Altmaier gehört zum
       progressiven Flügel der CDU, er steht hinter dem Modernisierungskurs. Mit
       ihm an der Spitze wird das Kanzleramt in der Lage sein, neue
       Bündnisoptionen wie Schwarz-Grün vorzubereiten.
       
       Überhaupt, die Zukunft. Auch hierfür lassen sich aus Merkels komplexer
       Rochade ein paar Signale ablesen. Sollte Merkel 2017 nicht mehr antreten
       wollen, hat sie zwei denkbare Nachfolger erneut mit wichtigen Ministerien
       versorgt. Da wäre erstens Thomas de Maizière, der aus dem Verteidigungs-
       ins Innenministerium zurückkehren darf. Er werde jenes, betonte Merkel auf
       ihrer Pressekonferenz, zu „einem Bürgerministerium weiterentwickeln“. Dies
       ist nur auf den ersten Blick ein Rückschritt für den loyalen de Maizière,
       der aber nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg eher
       notgedrungen das Innenministerium aufgab.
       
       Dann wäre da natürlich noch Ursula von der Leyen. Die sehr ehrgeizige
       Exarbeitsministerin hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, ins
       Gesundheitsministerium abgeschoben zu werden. Dieses gilt – wegen
       ungezählter Lobbygruppen und der komplexen Materie – als wenig
       strahlkräftiges Ressort. Merkel musste von der Leyen etwas Besseres bieten.
       Schließlich ist die Niedersächsin eines der werbewirksamsten und
       durchsetzungsfähigsten CDU-Gesichter; ihr ist zu verdanken, dass die CDU
       wieder für junge Frauen attraktiv wurde.
       
       ## Risiko und Chance
       
       Von der Leyen das Verteidigungsministerium zu geben ist ein genialer
       Schachzug Merkels, der für die künftige Amtsinhaberin ein hohes Risiko,
       aber auch einmalige Chancen birgt. Ihr Ressort ist das, was man gemeinhin
       einen Schleudersitz nennt. Diverse Verteidigungsminister stolperten über
       Rüstungsskandale. Dem steht jedoch viel gegenüber: Eine Frau übernimmt
       erstmals die Oberhoheit über die immer noch nach Männerschweiß müffelnde
       Truppe – das ist eine genderpolitische Sensation.
       
       Für von der Leyen ist es zudem ein Schritt in unbekanntes Gelände. Immer
       noch sind bei manchen Beobachtern Themen wie Familie, Soziales oder Bildung
       als „weiche“ Themen verschrien, Frauenzeug also, während Finanzen, Inneres
       oder eben Verteidigung als „harte“ Themen gelten. Diese Zuschreibung ist
       schon lange nicht mehr zeitgemäß. Dennoch macht von der Leyen mit diesem
       Karriereschritt unmissverständlich klar: Hier traut sich eine alles
       Mögliche zu, auch Kanzlerin.
       
       Als Neuling im Kabinett rückt Hermann Gröhe ins Gesundheitsministerium auf,
       er ist nach vier Jahren als Generalsekretär schon einem breiteren Publikum
       bekannt. Merkels Vorschläge zeichnen sich also nicht durch ein
       überraschendes Gesicht aus, sie haben aber alle Eitelkeiten und Bedürfnisse
       in der Partei befriedet. Und die CDU bereits jetzt in eine gute
       Ausgangsposition für 2017 gebracht.
       
       15 Dec 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kolumne-Besser/!129469/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
   DIR Ulrich Schulte
       
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