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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Ausgeprägter Elitismus
       
       > Für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien lässt sich der DFB ein
       > Luxusresort im Irgendwo bauen. Geht’s noch abgehobener?
       
   IMG Bild: Strand bei Santo André. Kann man was draus machen
       
       Man wunderte sich in dem kleinen Dorf Santo André, als vor drei Jahren ein
       großes Betonfundament gelegt wurde. Hier, an der brasilianischen Ostküste,
       ist sonst nicht viel los. Die nächste größere Stadt, Salvador de Bahia, ist
       500 Kilometer entfernt, und ein Großteil der Bewohner von Santo Andre hat
       erst seit zwei Jahren fließendes Wasser, das aber keine Trinkwasserqualität
       hat.
       
       Es gibt ein bisschen Tourismus, viel Armut und keine gut funktionierende
       Müllentsorgung. Doch das Betonfundament, von dem lange niemand wusste, was
       es bedeuten sollte, war nichts anderes als der in den Boden gegossene
       Wunsch des Deutschen Fußball-Bundes, ein eigenes, exklusives Quartier für
       die Zeit der Fußball-WM im nächsten Jahr zu errichten.
       
       Die Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft um Investor Christian Hirmer, der
       nicht nur eine Immobilienfirma, sondern auch ein Modehaus betreibt,
       Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und der deutsch-brasilianische
       Wirtschaftskontaktdienst Lide in Person von Stefan Maria Gast stampfen
       derzeit also ein Luxusresort aus dem Boden. Noch ist nichts fertig, auch
       der Trainingsplatz nicht, aber man hat ja noch Zeit bis Mai 2014. Derzeit
       wird eifrig Tag und Nacht unter der Aufsicht eines deutschen Bauleiters
       gewerkelt. Eine bessere Werbung als eine deutsche Nationalmannschaft können
       die Investoren, die das Grundstück vor Jahren billig erworben haben, gar
       nicht haben. Die Wertsteigerung ist enorm.
       
       Beteiligt ist auch ein Regionalpolitiker, der vieles möglich macht für die
       finanzstarken Investoren aus Deutschland. Es wird nicht so genau geachtet
       auf Bebauungsgrenzen und Bauschuttentsorgung.
       
       ## Wieso diese Extrawurst?
       
       Warum sich der Deutsche Fußball-Bund mitten im paradiesischen Nichts eine
       Herberge bauen lässt, wirft schon ein paar Fragen auf. Warum haben sie
       nicht ein Quartier aus dem reichhaltigen und gewiss nicht schäbigen Angebot
       des Weltverbandes Fifa ausgesucht? Warum mussten sie eine Extrawurst
       braten?
       
       Wieso wählte der DFB einen Ort aus, der nur mit einer Fähre zu erreichen
       ist und der vor einiger Zeit schon bei einem Rave, das 1.000 Leute
       besuchten, heillos überfordert war, weil die Infrastruktur von Santo André
       (noch) nicht gemacht ist für den Auftritt eines Ensembles von Fußballstars
       samt Entourage und einer Hundertschaft von deutschen Journalisten?
       
       Einerseits hat es die Führung der Nationalmannschaft gern abgeschieden,
       andererseits wird das Bauvorhaben wohl nicht zum Nachteil der Beteiligten
       sein, sonst würde man es ja wohl nicht angehen. Nach dem WM-Turnier stehen
       die hübschen Häuschen, in denen es sich zuvor Schweini oder Jogi bequem
       gemacht haben, zum Verkauf.
       
       Es heißt, Nationalspieler seien nicht abgeneigt zuzugreifen. Das alles
       passierte unter dem Deckmantel größtmöglicher Geheimhaltung. Obwohl schon
       seit Monaten die Wahl auf Santo André fiel, durfte nichts nach außen
       dringen. Man fragt sich, warum? Ging es wirklich nur darum, die
       Gruppenauslosung abzuwarten, um dann möglichst kurze Wege zu haben? Wohl
       kaum.
       
       Elitedenken und ein merkwürdig anmutender Eskapismus stehen offenkundig
       hinter der Entscheidung. Während andere Nationen wie Spanien auch mal eine
       Absteige beziehen, die nicht besser ist als ein Landschulheim, müssen sich
       die DFB-Kicker wohl stets so fühlen, als urlaubten sie im Superduperhotel
       auf den Malediven. Was würde wohl passieren, wenn unsere Elitekicker auf
       einer Pritsche nächtigen und auch noch von Fans behelligt würden? Nicht
       auszudenken. Dann doch lieber Sonne, Sand und ein pfundiges „Mia san mia“.
       
       13 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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