# taz.de -- Olympische Winterspiele 2014: Des Aufmüpfigen Aus
> Der schwule Shorttracker Blake Skjellerup verpasst die Qualifikation für
> Sotschi. Während er nicht zu den Spielen darf, will EU-Kommissarin Reding
> nicht.
IMG Bild: Streckte sich vergebens, für Sotschi reichte es nicht: Blake Skjellerup, hier auf einem Foto von 2009
„Ich mag das Wort Scheitern nicht. Du bist nicht gescheitert, wenn du
weißt, dass du dein Bestes gegeben hast.“ Mit [1][diesem Tweet] reagierte
Eisschnellläufer Blake Skjellerup auf die niederschmetternde Nachricht,
dass er die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi
verpasst hat. Der Shorttracker aus Neuseeland steht auf Rang 33 der
Qualifikationsliste über die 500-Meter-Distanz. Nur die ersten 32 dürfen zu
den Spielen.
Das Entsetzen unter den Aktivist_innen für schwul-lesbische Belange
weltweit ist mindestens ebenso groß wie die des Sportlers selbst. Sie
hatten Skjellerup zur Ikone ihres Protests gegen die homophobe Gesetzgebung
in Russland aufgebaut. Und Skjellerup hatte diese Rolle angenommen. Der
28-Jährige, der bei den Spielen 2010 in Vancouver 16. über 1.000 Meter war,
wollte als einziger offen schwuler Sportler in Sotschi antreten und hatte
angekündigt, mit einem Regenbogen-Pin in seine Rennen zu gehen.
Im Kampf für die Gleichbehandlung aller Menschen wollte er sich weder um
die russischen Gesetze noch um die Regularien des Internationalen
Olympischen Komitees, nach denen Sportlern politische Äußerungen untersagt
sind, scheren. Schon im Sommer warb er um Spenden, um sein Ziel
verwirklichen zu können. 30.000 US-Dollar sammelte er auf einer
Crowdfunding-Plattform ein, um einen Trainer und die Reisen zu den Weltcups
in Europa bezahlen zu können.
Der Weltcup-Zirkus führte ihn dann vor drei Wochen nach Russland. Beim
Weltcup in Kolomna, gut 100 Kilometer südlich von Moskau, kam er im
500-Meter-Wettbewerb nicht über den 29. Platz hinaus, konnte sich aber
immerhin darüber freuen, dass er, ohne behelligt zu werden, wieder in
seinen Wohn- und Trainingsort Vancouver zurückreisen konnte.
## Bewegendes Treffen mit Aktivisten
Am Rande des Wettbewerbs hat er sich mit schwulen Aktivisten getroffen. Als
ihn die englische Tageszeitung The Guardian nach seinen Eindrücken fragte,
wollte er nicht allzu viel verraten, um die Menschen, mit denen er
gesprochen hatte, nicht zu gefährden. „Es ist mir sehr nahe gegangen zu
hören, was sie durchmachen“, sagte er und beschrieb die Angst, die vielen
Schwulen keine andere Wahl ließe, als in den Untergrund zu gehen.
Derart eindrucksvolle Begegnungen mit Schwulen oder Lesben hätten
Aktivist_innen in Russland sicher gerne auch mit Bundespräsident Joachim
Gauck arrangiert. Doch der zieht es vor, den Spielen fernzubleiben. Auch
wenn er bis dato noch keine präzisen Gründe für sein Schwänzen von Olympia
genannt hat, so wird es gemeinhin als Boykott gewertet.
Dem hat sich am Montagabend auch Viviane Reding, die Vizepräsidentin der
Europäischen Kommission, angeschlossen. Die EU-Justizkommissarin
[2][twitterte die Gründe] für ihr Fernbleiben von den Spielen: „Ich werde
selbstverständlich nicht nach Sotschi reisen, solange Minderheiten dort so
behandelt werden, wie es die russische Gesetzgebung derzeit vorsieht.“
## Der übliche Maulkorberlass
Derweil ist das IOC dabei, den üblichen Maulkorberlass zu formulieren, mit
dem die Olympier sicherstellen wollen, dass sich während der Spiele kein
Athlet politisch äußert. Dieser Tage soll ein Brief an die nationalen
Olympischen Komitees geschickt werden, den diese dann an die Sportler
weiterleiten sollen. Darin wird noch einmal explizit die berühmte Regel 50
der Olympischen Charta erläutert, die „jede Art von Demonstration oder
politischer, religiöser oder rassistischer Propaganda in allen olympischen
Anlagen, Sportstätten und anderen Orten“ verbietet. Das IOC hat das Recht,
Verstöße gegen diese Regel zu ahnden und kann Sportler von den Spielen
ausschließen.
Blake Skjellerup hätte das in Kauf genommen. Er hätte sogar eine
Auseinandersetzung mit den russischen Behörden nicht gescheut. Ein kleine
Hoffnung bleibt ihm noch. Sollte eine Mannschaft einen der 32 Startplätze
für den 500-Meter-Wettbewerb nicht besetzen, dürfte Skjellerup als
Nachrücker nach Sotschi fahren.
10 Dec 2013
## LINKS
DIR [1] http://twitter.com/BlakeSkjellerup/status/410139255202381825
DIR [2] http://twitter.com/VivianeRedingEU/status/410127509674803200
## AUTOREN
DIR Andreas Rüttenauer
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