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       # taz.de -- Debatte um Kunsthaus-Chefwechsel: Viel Kunstraum, wenig Konzept
       
       > WENDE Mit dem Abgang von Kunsthaus-Chef Claus Mewes hoffen die
       > Gesellschafter auf mehr Profil. Wie das trotz der Kannibalisierung auf
       > der Kunstmeile gehen soll, ist unklar
       
   IMG Bild: Beteiligt sich - aus Not - an der Kannibalisierung: Hamburgs Kunsthalle.
       
       Hamburger Künstler wollen alle haben. Sie werden schon seit Jahren
       regelmäßig in gleich drei Institutionen der Hamburger Kunstmeile
       ausgestellt: im Kunstverein, dem Kunsthaus und der Kunsthalle, die 2012 zum
       Beispiel die Hamburger Gruppe Baltic Raw zeigte. Einer der Gründe ist, dass
       diese Ausstellungen so schön billig sind. Da fallen weniger Versicherungs-
       und Transportkosten an – vor allem, wenn die Künstler noch unbekannt sind
       und deshalb gern kostenlos mit anpacken.
       
       Dieses Schielen nach lokalen Künstlern verstärkt sich, weil auch Hamburgs
       Kulturinstitutionen klamm sind. Dass das zu einer gewissen Kannibalisierung
       führt, leuchtet ein. Denn wie will man die Ausstellungshäuser noch
       voneinander abgrenzen, wenn alle Ähnliches zeigen? Und braucht man dann
       überhaupt noch so viele?
       
       Angesichts des plötzlichen Weggangs von Kunsthaus-Chef Claus Mewes zum 31.
       Dezember – drei Jahre vorm regulären Vertragsende – stellt sich diese Frage
       ganz akut. Denn das Kunsthaus ist als Forum für Hamburger Künstler
       gegründet worden und anfangs war der Berufsverband Bildender Künstler (BBK)
       alleiniger Gesellschafter. Später änderte sich das, ein Geschäftsführer
       wurde eingesetzt, eine zweite Halle – die Barlach-Halle – kam hinzu, das
       Programm wurde vielfältiger.
       
       Parallel begannen in den letzten Jahren im benachbarten Kunstverein
       Diskussionen um Finanzierung und Ausrichtung; man wollte mehr Profil und
       Jugendlichkeit trotz knappen Geldes. Kunstvereins-Chef Florian Waldvogel
       machte diese Diskrepanz publik, prophezeite gar ein Sterben der
       Kunstvereine und muss nun gehen.
       
       Jetzt ist es Kunsthaus-Chef Claus Mewes, der – aus Sicht der Gesellschafter
       – an finanziellen und programmatischen Unschärfen scheiterte. Es rumort
       also in den Institutionen, die eigentlich Sprungbrett sein sollten und
       denen peu à peu die Funktion abhandenkommt. Da auch die Kunsthalle günstige
       Hamburg-Kunst bucht, braucht man die Sprungbretter nicht mehr so sehr, und
       sie geraten unter Rechtfertigungsdruck. Und auf einmal weiß keiner mehr so
       genau, ob man künftig neben- oder gegeneinander agieren soll.
       
       Symptomatisch für diese Deutungskrise ist die aktuelle Diskussion über das
       künftige Programm des Kunstvereins, der zum 1. 7. 2014 einen neuen Chef
       sucht. „Wir haben Herrn Mewes gebeten, ein Programm zu schreiben, aber wir
       fanden es nicht überzeugend“, sagt der Künstler Manfred Kroboth. Er ist im
       Vorstand des BBK, eines der Gesellschafter des Kunsthauses. „Wir wünschen
       uns mehr Stringenz“, sagt Kroboth. „Da war in letzter Zeit vieles
       beliebig.“ Trotzdem möchte er künftig nicht zu 100 Prozent Hamburgische
       Künstler dort sehen. Eher 50. Sonst koche man zu stark im eigenen Sud.
       
       Andere finden, das Kunsthaus könne wichtiges Scharnier werden und die Lücke
       zwischen den Studierenden der Hochschule für bildende Künste und
       etablierten Künstlern schließen: nahe an der Szene, den Off-Orten und nicht
       auf den Kunstmarkt zielend. Zudem mit Anbindung an ein bürgerliches
       Publikum, das eher ins Kunsthaus findet als in subkulturelle Räume. Claus
       Mewes wiederum sagt, er habe Hamburger Künstler aller Epochen gezeigt und
       das geforderte neue Programm könne man nur mit mehr Geld verwirklichen.
       
       Mehr als die seit 1995 fließenden 368.000 Euro pro Jahr wird es aber nicht
       geben, bekräftigt Kulturbehörden-Sprecher Enno Isermann. Zudem hat das
       Kunsthaus ein leichtes Defizit, weswegen die Gesellschafter die
       Barlach-Halle gekündigt haben.
       
       Wie das Kunsthaus aber inmitten dieser mäandernden Ideen wieder zu dem von
       den Gesellschaftern geforderten „markanten Ort“ werden soll, ist unklar.
       „Es ist höchste Zeit für einen Wechsel“, sagt Kroboth nur. Der scheidende
       Mewes habe sich unter Hamburgs Künstlern durch Kritik viele Feinde gemacht
       und auch mit dem BBK kaum noch kooperiert.
       
       9 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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