# taz.de -- Richter und Journalisten: Gefährliche Medienscheu
> Juristenschelte vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts: Die Justiz
> sei auf Journalisten angewiesen. Und begreife es nicht.
IMG Bild: Medien emotionalisieren – und erklären. Etwa im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München.
FREIBURG taz | Sind Medien eine Gefahr für die Justiz, weil sie Prozesse
emotionalisieren, Zeugen beeinflussen und ständig Persönlichkeitsrechte
verletzen? Viele Richter in Deutschland sehen das wohl so. Nicht aber
Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Auf einer
Tagung des Stuttgarter Justizministeriums erklärte er, warum die Justiz des
21. Jahrhunderts auf die Hilfe der Medien angewiesen ist.
„Gerichte können nur dann Rechtsfrieden schaffen, wenn die Bürger ihnen
vertrauen“, so die Grundthese Voßkuhles. Dabei seien Medien auf dreierlei
Weise nützlich. Erstens stellten sie bei wichtigen Verfahren Öffentlichkeit
her. Zwar könne sich jeder Bürger als „teilnehmender Beobachter“ in den
Gerichtssaal setzen, in der Breite seien aber die Medien als Vermittler
erforderlich.
Zweitens könnten Medien die Entscheidungen der Justiz erklären. „Urteile
sind meist komplex. Deshalb werden sie verkündet und nicht getwittert.“
Justiz-Pressestellen könnten zwar die entscheidenden Punkte eines Urteils
herausstellen, dürften dabei aber nicht die Feinheiten einebnen. Die
eigentliche „Übersetzungsleistung“ müssten „möglichst fachkundige“
Journalisten erbringen.
Schließlich seien Gerichte auch auf Feedback angewiesen. Dieses komme zum
Teil von Journalisten selbst oder aus der Gesellschaft und werde über die
Medien zumindest transportiert. An Reaktionen auf ihre Urteile habe die
Justiz ein „vitales Interesse“. Sie ermöglichten es ihr, „anschlussfähig“
zu bleiben.
Dagegen gebe es bei jungen Richtern oft eine gefährliche Medienscheu, die
Voßkuhle mit der Haltung beschrieb: „Wenn ich ganz schnell in mein Zimmer
gehe und meine Akte gut bearbeite, dann wird alles gut.“ Das sei aber ein
Trugschluss. Die Justiz müsse sich öffnen, sich zeigen, sich erklären,
Missverständnisse ausräumen. Sonst fänden ihre Entscheidungen keine
Akzeptanz.
8 Dec 2013
## AUTOREN
DIR Christian Rath
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