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       # taz.de -- Schlüsselfragen des Datenschutzes: Behörden müssen getrimmt werden
       
       > Höchste Zeit, dass das Recht auf Datensicherheit ernster genommen wird.
       > Noch arbeiten viele staatliche Stellen und Firmen mit unverschlüsselten
       > E-Mails.
       
   IMG Bild: In der Welt des Netzes sind überall Augen und Ohren.
       
       Seitdem der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden begonnen hat, die Welt
       über die gewaltige Datensammelei des US-Geheimdienstes aufzuklären, vergeht
       kein Tag ohne neue bemerkenswerte Enthüllungen. Bislang habe seine Zeitung
       erst 1 Prozent des Snowden-Materials veröffentlicht, sagte der
       Chefredakteur des Londoner Guardian, Alan Rusbridger, in dieser Woche vor
       dem britischen Parlament.
       
       So viel steht immerhin schon fest: Wer seine Privat- und Intimsphäre und
       andere wichtige Informationen schützen will, der muss sich selbst vorsehen,
       Mails nur verschlüsselt oder im Zweifel gar nicht per Handy oder Internet
       versenden. Für besseren Datenschutz sind aber auch die staatlichen Behörden
       und die Wirtschaft zuständig. Hier ein paar Empfehlungen:
       
       ## Was kann die EU tun?
       
       Sie kann Standards setzen. Bislang sind Google, Facebook und Co fein raus:
       Nicht nur, was das hiesige Steuerrecht angeht, auch in Sachen Datenschutz
       können sie sich zurücklehnen. Schließlich haben sie ihren Sitz nicht
       innerhalb Europas. Dieses Dilemma kann die Datenschutzgrundverordnung, die
       derzeit im EU-Ministerrat diskutiert wird, lösen: Jedes Unternehmen, das in
       Europa tätig wird, soll sich demnach an europäische Standards halten. Dazu
       gehört zum Beispiel das Recht auf Löschung der eigenen Daten. Strafen
       sollen bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes betragen dürfen. Allerdings
       wackelt es bei der Umsetzung: Vor allem Deutschland pocht auf niedrige
       Standards.
       
       Ein weiterer wichtiger Schritt: Datenberge abbauen. Adresse, Geburtsdatum,
       Kontoverbindungen, Infos darüber, wer mit wem zu welcher Zeit telefoniert
       hat – bei den Providern liegt ein echter Schatz an persönlichen
       Informationen. Und die EU hat diesen noch vergrößert: Sie schreibt seit
       2006 vor, dass Telefon- und Internetanbieter sechs Monate speichern müssen,
       mit wem ihre Kunden von wo aus wie lange telefoniert und an wen sie eine
       E-Mail oder eine SMS geschickt haben. Am besten wäre es, Provider dürften
       nur noch die Kundeninformationen speichern, die sie für die Abrechnung
       benötigen, und auch nur so lange. Das würde das Datenaufkommen deutlich
       reduzieren. Die Chance dafür ist jedoch extrem gering: Union und SPD haben
       die Vorratsdatenspeicherung schon im Koalitionsvertrag verankert.
       
       ## Was kann die Bundesregierung tun?
       
       Wenn die Regierung Pilotprojekte zur Elektromobilität mit Millionen
       unterstützt – warum kann sie nicht auch die privatsphärenfreundliche
       Kommunikation, das heißt die Verschlüsselung fördern, sowohl der Daten in
       der Cloud als auch das verschlüsselte Telefonat? Schon klar, der Staat hat
       kein Interesse daran, dass seine Bürger etwas vor ihm verbergen.
       
       Nötig ist es auch, die Behörden zu trimmen: Manchmal kommt man nicht
       drumherum, per E-Mail mit Ämtern zu kommunizieren – wegen des
       Steuerbescheids zum Beispiel. Doch längst nicht alle Behörden haben ihre
       Server so eingestellt, dass sie E-Mails verschlüsselt übertragen. Wer sein
       Anliegen samt zugehöriger Daten also fix rübermailt, überträgt die Inhalte
       offen lesbar. Und zwar egal, ob der eigene Anbieter verschlüsselt oder
       nicht, denn dazu gehören immer zwei. Da die öffentliche Hand das Problem
       anscheinend nicht von selbst erkennt, braucht es hier wohl eine Anweisung
       von oben.
       
       Dass sogar Nachzügler wie GMX und die Telekom das hinbekommen haben, zeigt:
       So schwer kann die Umstellung nicht sein. Vor allem muss der Staat seine
       eigenen Angebote sicher machen: den neuen Personalausweis etwa, die
       elektronische Gesundheitskarte oder den Dienst DE-Mail. Während die
       Bundesregierung betont, der Ausweis sei sicher, hat der Chaos Computer Club
       (CCC) bereits gezeigt, dass sich die PIN ausspionieren lässt und so
       Einsicht in persönliche Daten erlaubt – von Name über Anschrift bis zum
       Datensatz der Rentenversicherung.
       
       Nicht besser ist der Dienst DE-Mail: Eine Verschlüsselung vom Sender bis
       zum Empfänger gibt es nicht – trotzdem soll der Dienst in der Kommunikation
       von Bürgern mit Behörden den Brief ersetzen. Problem: Wenn die
       Bundesregierung unsichere Dienste als sicher verkauft, scheint sie es
       entweder nicht besser zu wissen oder die Unsicherheit zu wollen.
       
       ## Was kann die Wirtschaft tun?
       
       Sie kann bedienbare Produkte schaffen. Natürlich wäre es gut, wenn jeder
       seine eigenen E-Mails verschlüsselte. Programme dafür gibt es genug – wer
       etwa das freie E-Mail-Programm Thunderbird nutzt, kann dafür das Add-on
       Enigmail herunterladen. Aber: Bequemlichkeit steht hier meist über dem
       Wunsch nach Privatsphäre. Soll Verschlüsselung für die breite Masse nutzbar
       sein, braucht es Angebote auch für jene, die nicht ganz so genau wissen,
       was ein Browser ist. Es gibt bereits Unternehmen, die daran arbeiten, nicht
       nur die Übertragung von Mails, sondern auch die Postfächer auf dem Server
       zu verschlüsseln.
       
       Sie kann die Übermittlung codieren: Nach den ersten Snowden-Enthüllungen
       war viel von Metadaten die Rede – die nicht den Inhalt einer E-Mail
       betreffen, sondern etwa Absender- und Empfängeradresse, Uhrzeit und
       Betreff. Die werden sogar dann im Klartext übertragen, wenn Sender und
       Empfänger die Verschlüsselungstechnik PGP nutzen – falls die Provider die
       Übermittlung nicht verschlüsseln.
       
       Das tun mittlerweile immer mehr Anbieter, aber längst nicht alle. Dazu
       kommt: Nicht alle verwenden eine starke Verschlüsselung, sondern mitunter
       Techniken, die leicht knackbar sind, gerade für einen Geheimdienst mit der
       entsprechenden Rechenkapazität.
       
       Dabei gibt es Systeme, die als sicher gelten. Eines heißt Perfect Forward
       Secrecy und verhindert, dass Dritte nachträglich eine SSL-Verbindung
       entschlüsseln können. Und natürlich müssen die Daten auf dem Server auch
       verschlüsselt werden – sonst ist dort das nächste Einfallstor.
       
       Nicht zu vergessen die Webseiten: Wer Waren – einen Dampfkochtopf zum
       Beispiel – im Internet bestellt, übermittelt meist Namen, Kreditkartendaten
       und Adresse über das Netz. Mehr Privatsphäre bietet eine Übertragung per
       https. Ist die Übertragung der Daten verschlüsselt, lässt sich unterwegs
       nicht erkennen, wer da was verschickt.
       
       ## Abgreifen an den Backbones
       
       Zwar gab es Berichte darüber, dass die NSA teilweise trotzdem mitlesen
       kann. Aktuell als stark eingestufte Verschlüsselungsverfahren mit langen
       Schlüsseln befand aber auch Whistleblower Edward Snowden im
       Guardian-Interview als sicher.
       
       Die Verschlüsselung muss allerdings auch für die andere Seite gelten: So
       nützt es nicht viel, wenn der Kunde des Dampfkochtopfhändlers seine Daten
       über eine verschlüsselte Verbindung eingibt, der Shopbetreiber sie aber
       unverschlüsselt abruft. Das alles ist nicht kompliziert, aber kleinteilig.
       
       Und zu guter Letzt: sichere Telefonverbindungen. Wie sicher der Inhalt
       eines Gesprächs beim Mobiltelefonat ist, hängt von verschiedenen Punkten
       ab. So gilt der alte Netzstandard GSM als leicht zu knacken, das neuere
       UMTS gilt dagegen als sicherer. 
       
       Bei Smartphones gibt es dafür andere Möglichkeiten der Manipulation, wie
       etwa Trojaner. Doch ein Problem gilt für alle Netze: An den Backbones, den
       Hauptsträngen im Hintergrund, greifen Geheimdienste die Daten an
       Schnittstellen trotzdem ab. 
       
       Geräte von Geheimnisträgern in Wirtschaft und Politik arbeiten daher mit
       einer Extrverschlüsselung. Für alle, die keinen vierstelligen Betrag für
       ihr Telefon ausgeben wollen, würde eine ganz andere und einfache Lösung
       weiterhelfen: Die Hersteller von Betriebssystemen wie Android und Apple
       könnten Anwendungen, die eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufbauen,
       vorinstallieren. Das würde den Versteh-ich-doch-sowieso-nicht-Charakter
       dieser Apps senken und das Sicherheitsniveau der Telefonate immens erhöhen.
       
       Große Hoffnung auf solche Angebote durch die Provider gibt es allerdings
       nicht: Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde mittels Voice over IP über
       das Internet laufen – die Provider machen ihr Geld mit über das
       Mobilfunknetz vertelefonierten Minuten.
       
       5 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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