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       # taz.de -- Neuer Verfassungsentwurf in Ägypten: Das Militär wird gestärkt
       
       > Die Vorlage gibt der Armee wichtige Befugnisse, legt aber auch
       > Grundrechte fest. Umstritten ist ein Demonstrations- und
       > Versammlungsgesetz.
       
   IMG Bild: Am Montag in Alexandria: Ägypter protestieren gegen das neue Demonstrationsgesetz.
       
       KAIRO taz | Ägypten hat einen neuen Verfassungsentwurf. Eine 50-köpfige
       verfassungsgebende Versammlung hatte nach mehreren Monaten Beratung am
       Wochenende über jeden der 247 Paragrafen einzeln abgestimmt. Und selbst der
       Paragraf, der am meisten Kontroversen stiftete, kam am Ende durch: das
       Militär kann in den kommenden acht Jahren den Verteidigungsminister selbst
       bestimmen.
       
       Die inzwischen verbotene Muslimbruderschaft, die mit Mohammed Mursi den
       letzten gewählten Präsidenten gestellt hatte, war in der
       Verfassungskommission nicht vertreten. Das gibt dem im Entwurf zum großen
       Teil positiv festgelegten Grundrechtekatalog einen bitteren Beigeschmack.
       
       Verändert wurde in letzter Minute der Fahrplan für den demokratischen
       Übergang. Der Verfassungsentwurf wird nun dem Übergangspräsidenten Adli
       Mansur vorgelegt, der einen Termin für ein Referendum festlegen muss,
       voraussichtlich in der zweiten Januarhälfte.
       
       Ursprünglich hieß es in dem Entwurf, dass nach der Ratifizierung der
       Verfassung innerhalb von 90 Tagen Parlaments- und dann innerhalb eines
       halben Jahres Präsidentschaftswahlen stattfinden müssen. Doch jetzt ist es
       Mansur überlassen, welche Wahlen er wann innerhalb von sechs Monaten
       abhalten will.
       
       ## Kritik an Genehmigungspflicht für Versammlungen
       
       Problematisch ist die Atmosphäre, in der dies alles stattfinden soll.
       Besonders umstritten ist ein neues Demonstrations- und Versammlungsgesetz.
       „Sicherlich hat jedes demokratische Land das Recht, ein bestimmtes
       Prozedere für Proteste festzulegen“, meint Tamara Alrifai im Kairoer Büro
       der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dazu. Aber dieses neue
       Gesetz sei praktisch dazu gedacht, jeglichen öffentlichen Dissens zu
       unterbinden.
       
       Alrifai kritisiert vor allem, dass schon Versammlungen von mehr als zehn
       Menschen genehmigungspflichtig seien. Beunruhigend findet sie auch, dass
       die Sicherheitskräfte schnell alle anderen Maßnahmen zur
       Aufstandsbekämpfung überspringen können und praktisch einen Blankoscheck
       zum Schusswaffengebrauch erhalten haben.
       
       Besonders katastrophal sei es, ein solches Gesetz im Vorfeld des geplanten
       Verfassungsreferendums und vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
       einzuführen. „Dieses Gesetz bedeutet, dass diejenigen, die zum Referendum
       Nein sagen wollen oder bei Wahlen anders als gewünscht abstimmen,
       restriktiv behandelt werden“, fasst sie ihre Befürchtungen zusammen. „Denn
       wie kann man unter diesen Umständen einen Dissens organisieren?“
       
       ## Wütende Studenten in Kairo
       
       Zu spüren bekommen den starken Arm der ägyptischen Polizei fünf Monate nach
       dem Putsch inzwischen längst nicht nur die Anhänger der Muslimbrüder. Auch
       prominente junge säkulare Tahrir-Aktivisten, wie Alaa Abdel Fatah oder
       Ahmad Maher, wurden letzte Woche verhaftet, weil sie an einer nicht
       genehmigten Demonstration teilgenommen hatten.
       
       Unterdessen demonstrieren auch die Studenten der Kairoer Universität,
       nachdem einer von ihnen von der Polizei auf dem Campus bei Protesten gegen
       das Militär erschossen wurde. Dort bilden sich inzwischen neue Koalitionen
       zwischen Muslimbrüdern, Linken und Tahrir-Aktivisten.
       
       „Wir werden das neue Demonstrationsgesetz einfach ignorieren, denn wir
       haben uns das Recht, zu protestieren, auf der Straße beim Sturz Mubaraks
       erstritten“, erklärt der Student Ahmad Ghoneimi, während er mit seinen
       Kommilitonen wütend die Straße vor der Uni entlangzieht. „Das“, sagt er,
       „nimmt uns keiner mehr weg.“
       
       2 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim Gawhary
       
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