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       # taz.de -- Massenproteste in der Ukraine: Blendgranaten gegen Demonstranten
       
       > In Kiew setzt die Polizei Gewalt gegen Demonstranten ein. Präsident
       > Janukowitsch versucht derweil, seine Gegner zu besänftigen – und
       > verspricht eine Annäherung an die EU.
       
   IMG Bild: Nicht nur die Sicherheitskräfte sprühten Tränengas: Demonstranten und Polizisten am Sonntag vor dem Präsidentenbüro in Kiew.
       
       KIEW ap/dpa/rts | Auf der größten Demonstration in der Ukraine seit der
       Orangenen Revolution vor neun Jahren haben am Sonntag rund 350.000 Menschen
       den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch gefordert. Die Polizei
       setzte Tränengas, Knüppel und Blendgranaten ein, um Demonstranten vom Sturm
       auf das Präsidentenbüro abzuhalten.
       
       Augenzeugen berichteten von Dutzenden Menschen, die offensichtlich mit
       Kopfverletzungen in Krankenwagen abtransportiert wurden. Auch rund hundert
       Polizisten wurden bei den Auseinandersetzungen verletzt, sagte eine
       Polizeisprecherin.
       
       Weil er unter dem Druck Russlands ein über mehrere Jahre ausgehandeltes
       EU-Assoziierungs- und Handelsabkommen doch nicht unterzeichnete, hat
       Janukowitsch den Zorn vieler Ukrainer auf sich gezogen.
       
       Am Sonntag waren rund 100.000 Menschen trotz eines Demonstrationsverbots
       auf den Unabhängigkeitsplatz im Zentrum geströmt. Mehrere tausend Menschen
       sonderten sich von der Demonstration ab und versuchten das
       Regierungsgebäude zu stürmen, in dem das Präsidentenbüro untergebracht ist.
       
       Janukowitsch hatte noch kurz vor den Massenprotesten versucht, die
       aufgebrachten EU-Befürworter zu besänftigen. Er werde alles in seiner Macht
       Stehende tun, um eine Annäherung an die EU voranzutreiben, zitierte die
       russische Nachrichtenagentur Interfax aus einer Erklärung des
       Regierungschefs. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Janukowitschs
       Gegner tragen schon seit Tagen ihre Wut auf die Straße. Ihr Zorn wurde nur
       noch weiter geschürt, als die Polizei am Samstag in Kiew gewaltsam ein
       Protestlager räumte.
       
       ## Vergleich mit Arabischem Frühling
       
       Das ukrainische Innenministerium kündigte einen harten Kurs gegenüber den
       Demonstranten an. Die Polizei werde nicht zulassen, dass die Ukraine zu
       einem Land wie Libyen oder Tunesien werde, wo Volksaufstände Regierungen zu
       Fall brachten.
       
       Am Sonntag forderte Klitschko, der bei der Präsidentenwahl 2015 antreten
       will, den Rücktritt Janukowitschs. „Wenn diese Regierung nicht den Willen
       des Volkes umsetzen will, dann wird es diese Regierung und diesen
       Präsidenten nicht geben“, rief der Schwergewichts-Boxweltmeister der
       jubelnden Menschenmenge zu. „Dann wird es eine neue Regierung und einen
       neuen Präsidenten geben.“
       
       Auch die inhaftierte Oppositionspolitikerin und frühere Ministerpräsidentin
       Julia Timoschenko forderte in einem Schreiben dazu auf, gegen Janukowitsch
       aktiv zu werden. „Am wichtigsten ist es, die Plätze nicht zu verlassen, bis
       die Autoritäten auf friedlichem Weg gestürzt wurden.“
       
       ## Rathaus besetzt
       
       Während die Proteste weitgehend gewaltlos verliefen, ging eine Gruppe
       junger Demonstranten radikaler vor. Ihr Schaufelbagger wurde auf dem Weg
       zum Verwaltungssitz des Präsidenten aber von einer Reihe Busse aufgehalten,
       die das Innenministerium herbeigerufen hatte. Die Polizei setzte Tränengas
       ein, die Lage blieb angespannt. Die Opposition distanzierte sich von der
       Gewalt in der Nähe von Janukowitschs Amtsitz. Diese Zusammenstöße seien
       geplant gewesen, um dem Präsidenten einen Vorwand für eine
       Notstandserklärung zu geben.
       
       Nationalistische Demonstranten besetzten unterdessen das Rathaus der
       Hauptstadt. Anhänger der rechtsextremen Freiheitspartei und ihres
       Vorsitzenden Oleh Tyahniboh drangen in das Gebäude ein und brachten
       zumindest einen Teil davon unter ihre Kontrolle. Tyahniboh rief den
       Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz zu, "unsere Jungs haben das
       Rathaus in Kiew übernommen". Die Freiheitspartei lehnt eine stärkere
       Anbindung der Ukraine an Russland strikt ab.
       
       Mit der Kundgebung am Sonntag erinnerten die Menschen auch an den Jahrestag
       des Referendums von 1991, das die Unabhängigkeit des Landes von der damals
       zerfallenden Sowjetunion vorantrieb.
       
       1 Dec 2013
       
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