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       # taz.de -- Berliner Szenen: Durchfahren fetzt
       
       > Dass die U6 wieder durchfährt, sorgte fast überall für Freudentränen. Nur
       > manche Leute sind jetzt plötzlich zu blöd zum U-Bahnfahren.
       
   IMG Bild: Nie wieder!
       
       So geil, dass die U6 wieder durchfährt. Alle haben Freudentränen geweint
       neulich. Ein Kollege ist mit ein paar Freunden gar die ganze Strecke runter
       und wieder hoch gefahren, und zwischen Friedrichstraße und Französische
       Straße haben sie Konfetti geworfen und Sekt getrunken.
       
       Nur Stefan und ich, wir ärgern uns, weil wir noch gar nicht die tolle
       Aktion gestartet haben, die wir uns ausgedacht hatten.Wir wollten uns
       Gürteltaschen umhängen und Kontrolleur-Ausweise faken und dann auf dem Weg
       zwischen Friedrichstraße und Französische Straße die Fahrkarten
       kontrollieren. Bei allen Leuten, die auf die gelben Fußsticker treten, die
       zu Baustellenzeiten den Weg wiesen. „Natürlich brauchen Sie einen
       Fahrausweis, das ist hier ein offizieller Weg der BVG, und Sie würden hier
       ja ansonsten nicht langlaufen, verstehen Sie?“ Haben wir aber nicht
       gemacht.
       
       Und irgendwie freue ich mich auch sonst nicht so richtig. Ich habe mir
       angewöhnt, montags, wenn ich vom Naturkundemuseum bis Gneisenaustraße nach
       Hause fahre, an der Friedrichstraße einzukaufen und dann bis Französische
       Straße weiter zu laufen.
       
       Rein aus Gewohnheit steige ich auch heute Friedrichstraße aus, überlege,
       was ich so brauche, gehe Shampoo kaufen bei dm, Brot im Reformhaus, Stifte
       bei Dussmann. Französische Straße steige ich wieder ein und freue mich,
       dass auch der Pendelverkehr bis Hallesches Tor endlich vorbei ist.
       
       Als die U-Bahn am Mehringdamm hält, wo ich immer umsteigen muss, denke ich
       immer noch: Einfach durchfahren fetzt natürlich schon. Erst als die
       Ansagestimme sagt, die nächste Station ist Platz der Luftbrücke, merke ich,
       dass ich so gar nicht nach Hause komme.
       
       Ich steige Platz der Luftbrücke aus, setze mich auf die Bank auf der
       Gegenseite und warte, wie so ein verwirrter Touri, und finde es
       scheißekackeblöd, dass die U-Bahn wieder durchfährt.
       
       29 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Margarete Stokowski
       
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