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       # taz.de -- Russischer Staatssender in Berlin: Kritik am Kreml ist kaum noch hörbar
       
       > Erst war die Berichterstattung des Senders „Stimme Russlands“ in Berlin
       > überraschend frei. Nun wurde ein Teil des Personals entlassen.
       
   IMG Bild: Falsches Thema? Proteste gegen die Antihomogesetze vor der russischen Botschaft in Berlin.
       
       BERLIN taz | Die Stimme Russlands soll anders klingen. Das wird im Gespräch
       mit dem russischen Chefredakteur Michail Laiko schnell deutlich. „Wir
       wollen mit der deutschen Elite sprechen“, sagt er und klagt über den
       Qualitätsverlust der deutschen Medien. Der Auslandssender soll deshalb eine
       andere, russische Sichtweise in die deutsche Öffentlichkeit tragen und die
       Diskussion bereichern.
       
       Laiko leitet seit September das Berliner Büro des Hörfunksenders. Es liegt
       in exklusiver Lage am Pariser Platz. Im selben Haus sitzen die Berliner
       Spiegel-Kollegen. Im Rahmen ihrer Imagekampagne hat die russische Regierung
       ihre Medienaktivitäten im Ausland ausgebaut. So entstanden mit der Reform
       des früheren sowjetischen Propagandasenders Stimme Russlands in den letzten
       Jahren erstmals einige Auslandsbüros, in Washington, London, Kiew, Istanbul
       und 2013 auch in der deutschen Hauptstadt.
       
       „Berlin ist das Zentrum Europas geworden und ist deshalb für die Stimme
       Russlands wichtig“, sagt Laiko, der selbst kein ausgebildeter Journalist
       ist, sondern von sich als Schriftsteller spricht. Er wurde im September
       plötzlich Büroleiter, nachdem die bisherige Leiterin, Anastasia Gorakhova,
       nach ihrem Sommerurlaub überraschend gekündigt wurde.
       
       Er habe damit nichts zu tun, versichert Laiko und verweist auf die
       Verantwortung der Moskauer Zentrale. Tatsächlich deutet viel darauf hin,
       dass die Zentralredaktion in Moskau mit dem bisherigen Kurs des Berliner
       Büros nicht zufrieden war.
       
       Unter Gorakhova hatte sich das Büro zunächst zu einer „gut bezahlten
       Spielwiese für junge Journalisten“ entwickelt, wie es Berliner Kollegen
       beschrieben. Das russisch-deutsche Team mit acht fest angestellten
       Redakteuren schien anfangs einige Freiräume zu haben, um das deutsche
       Programm des traditionsreichen russischen Auslandsrundfunks mit
       Radiobeiträgen aus der deutschen Hauptstadt zu beliefern.
       
       ## Kritik unerwünscht
       
       Interviewpartner wie der Russlandexperte von Amnesty International, Peter
       Franck, zeigten sich überrascht darüber, dass auch russlandkritische
       Gesprächspartner in Beiträgen des Berliner Büros zu Wort kamen. Andere
       Experten aus Wirtschaftskreisen blieben unverändert skeptisch gegenüber dem
       Staatssender, auch weil der größte Teil des deutschsprachigen Programms
       ebenso wie die Gestaltung der Website unverändert in der Hand der Moskauer
       Zentrale liegen.
       
       „In Russland gibt es eben weiterhin andere Vorstellungen von Journalismus“,
       sagt ein Pressesprecher in Berlin. Die jüngsten Entwicklungen scheinen ihm
       recht zu geben. Insider erklären den Chefredakteurswechsel mit einem
       internen Machtkampf zwischen dem Berliner Büro und den alten Kräften in der
       Moskauer Zentrale. „Früher war es der KGB, heute sind es die
       Kreml-Funktionäre, die sich einmischen“, heißt es im Umkreis der Redaktion.
       
       Heftigen Streit löste unter anderem ein Radiobeitrag über die Proteste
       gegen die Homosexuellengesetze vor der Russischen Botschaft aus, der in der
       ursprünglichen Form nicht gesendet wurde. Auch die Kündigung von zwei
       Redakteurinnen im Herbst stand offenbar im Zusammenhang mit deren
       Berichterstattung, die sich nicht ausreichend nach Moskauer Vorgaben
       richtete.
       
       Aber nicht nur der Umgang mit Mitarbeitern, auch die Arbeitsstruktur und
       die Geschäftsbeziehungen des Büros wirken abenteuerlich: Die Stimme
       Russlands bedient sich etlicher Strohmänner, um in Deutschland auf Sendung
       zu gehen. Der Grund für das unübersichtliche Konstrukt: Laut Gesetz kann
       nur an Personen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsland eine Sendeerlaubnis
       erteilt werden. Ein Staat oder eine staatliche Stelle darf nicht senden,
       wie die Sprecherin der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg erklärt.
       
       Der Empfang der Stimme Russlands über Mittelwelle läuft deshalb über die
       Zulassung eines Treuhänders namens Burkhard Beyer aus dem hessischen
       Langen, dessen Firma MulConPro sich Dienstleister für multimediale Projekte
       nennt. Nach der Treuhandvereinbarung jedoch müsste die Stimme Russlands
       eigentlich Weisungen von Burkhard Beyer Folge leisten. Die Anweisungen an
       die Redaktion kommen aber stattdessen eher aus Moskau.
       
       ## Dubiose Strukturen
       
       Im Digitalradio hat die Stimme Russlands eine Zusammenarbeit mit einer
       weiteren hessischen Firma namens plexiMedia etabliert. Sie strahlt seit
       2013 in mehreren Bundesländern ein Vollprogramm aus, bei dem sich drei
       Stunden Wortprogramm der Stimme Russlands mit einer Stunde Musik des
       Programmanbieters Radio Impala abwechseln.
       
       Auch bei der Landesmedienanstalt in München liegt neuerdings der Antrag
       eines bayerischen Programmanbieters namens Mega Radio vor, der gleich bis
       zu 15 Stunden Programm der „Stimme Russlands“ täglich huckepack nehmen
       möchte. Bislang ist unklar, ob der Hörfunkausschuss diesen Antrag
       genehmigen wird.
       
       Anträge der Stimme Russlands auf UKW-Frequenz scheiterten bislang mehrfach
       an dem Veto der Aufsichtsbehörden, unter anderem wegen der Staatsnähe des
       Auslandssenders. Derzeit bleibt also bislang vor allem das Internet, um
       deutsche Hörer mit der Stimme Russlands zu erreichen.
       
       28 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gemma Pörzgen
       
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